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Die somalische Polizei hält Abdiaziz Abdinur fest, nachdem er über eine Frau berichtet hat, die von Regierungsbeamten vergewaltigt worden sein soll.
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Abdiaziz Abdinur Ibrahim dachte sich wohl nichts Böses, als ihn die Polizei von Mogadischu anrief und bat, vorbeizuschauen. Doch kaum dort angekommen, nahmen ihn die Beamten fest. Das war am 10. Jänner; seither sitzt der somalische Journalist ohne Anklage hinter Gittern, berichtet die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.
Die Polizei war auf Abdiaziz gestoßen, weil er eine Frau interviewt hatte, die ihren eigenen Angaben zufolge von Sicherheitskräften der Regierung vergewaltigt worden war. Die Polizei verhörte sie an jenem
10. Jänner und hielt sie dann gemeinsam mit einer Bekannten fest, die ihr die Nummer des Journalisten gegeben hatte. Es soll der Chef der Kriminalpolizei, General Abdullahi HassanBarisse höchstpersönlich gewesen sein, der die Frau zwang, ihm die Telefonnummern der Journalisten auszuhändigen, die mit ihr gesprochen hatten. Die Beamten nahmen ihr Handy an sich und riefen Abdiaziz an, der bei "Radio Dalsan" beschäftigt ist. Doch seine Verhaftung soll in Zusammenhang mit einem ganz anderen Medium stehen, sind sich Journalisten vor Ort sicher.
Die somalischen Kriminalbeamten vermuten, dass Abdiaziz Abdinur an einem Bericht des Fernsehsenders Al-Jazeera beteiligt war, in dem es ebenfalls um Vergewaltigung ging. Darin wird beschrieben, wie in Flüchtlingscamps für Somalier in Mogadischu Frauen systematisch vergewaltigt werden - und wie die Behörden dabei tatenlos zusehen.
Der Missbrauch nimmt in der Hauptstadt täglich zu, wo zehntausende Menschen in schlecht gesicherten Lagern leben, seitdem sie letztes Jahr eine Hungersnot von zu Hause vertrieben hat.
Als Täter werden immer häufiger Soldaten der Regierung genannt, ein Vorwurf, der bei den Behörden grundsätzlich nicht gut ankommt. Allerdings hatte Präsident Hassan Scheich Mohamud bereits im November verkündet, die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen zu wollen. Die gerechte Strafe für Vergewaltigung ist seiner Ansicht nach der Tod. Allein schon diese Aussicht dürfte die Polizei, die an sich schon nicht wirklich rigoros gegen Vergewaltigungen vorgeht, nicht gerade dazu anspornen ernstere Schritte zu unternehmen.
"Vergewaltigungsopfer und Journalisten zum Schweigen zu bringen wird die sexuelle Gewalt nicht beenden, sondern lediglich das Klima der Straffreiheit in Somalia verstärken", sagte dazu Daniel Bekele, Direktor von Human Rights Watch Afrika. Neben Abdiaziz wurden noch mehrere andere somalische Journalisten verhört, darunter der Korrespondent von Al-Jazeera. Immerhin, das mutmaßliche Vergewaltigungsopfer wurde inzwischen freigelassen - nachdem ihr Mann an ihrer statt ins Gefängnis ging. Auch ihre Freundin befindet sich noch dort. Auf Nachfragen wegen Abdiaziz Abdinur reagierte die Polizei bisher nicht. Offenbar haben die Beamten die Absicht, diesen wie auch so viele andere Fälle totzuschweigen.