Gut gemeint ist mitunter das Gegenteil von gut. Diese Erkenntnis bricht sich bei Wählen mit 16 immer mehr Bahn. | Wer dieser Tage die diversen inszenierten Diskussionsrunden und Straßenbefragungen mit Jugendlichen anlässlich der Bundespräsidentenwahl verfolgt, kommt nicht umhin, die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre für ein einziges großes Missverständnis zu erachten. Was auch immer SPÖ und ÖVP mit der Einführung 2007 bezwecken wollten - es hat sich als ein Schlag ins Wasser herausgestellt.
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Dazu trägt sicher bei, was der Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier konstatiert: Politik in ihrer aktuellen Form stößt Jugendliche mehr ab, als dass sie sie anzieht. Stellt sich nur die Frage, ob man das nicht schon vorher gewusst hat. Dass sich allein durch die Einführung von Wählen mit 16 der heimische Politikbetrieb ändert, wird ja hoffentlich niemand ernsthaft geglaubt haben.
Dabei scheuen die Parteien keine Kosten und Mühen, um bei den Jungwählern um Stimmen und Stimmung zu buhlen. Sogar der amtierende Bundespräsident bemüht sich im laufenden Hofburg-Rennen als Heifi um ein jugendliches Image, und der konservative Vizekanzler suchte nach populären TV-Vorbildern ganz interaktiv den Superpraktikanten. Natürlich gehören auch Quotenjugendliche in der Partei-Auslage und Investitionen in die neuen Kommunikationsmedien, die von den Jungen bevorzugt genutzt werden, zu den Pflichtaufgaben.
Die wenigen, dafür umso hochgradiger politisierten Jugendlichen sind dafür natürlich Feuer und Flamme; für die Talentierten unter ihnen eröffnet sich auch aufgrund des enormen Werbewerts smarter Jungpolitiker die Chance auf eine steile Politkarriere in Rekordtempo. Nur die große Masse an unpolitischen Erst- und Jungwählern erreicht man auf diese Weise natürlich nicht. Deren private wie berufliche Lebenswelten bleiben von der etablierten Politik weithin unerreicht.
Als geschickter in der Kommunikation mit neuen Zielgruppen erweist sich - wieder einmal und ausgerechnet - die FPÖ. Deren Chef tingelt durch die Discos und sammelt dort fleißig jene Stimmen ein, deren Besitzer für SPÖ, ÖVP und Grüne nicht mehr erreichbar sind.
Das Wahlrecht ist in der Demokratie das höchste Gut der mündigen Staatsbürger und als solches mit einem hohem Maß an Verantwortung verbunden - und zwar in zwei Richtungen: Für die Politik bedeutet dies, auf die Jungen zuzugehen, und zwar möglichst nicht nur als PR-Schmäh zwecks Steigerung der eigenen Wählerstimmen. Und für die Bürger leitet sich daraus die Pflicht ab, sich für die Belange der Res publica, der öffentlichen Angelegenheiten, zu interessieren. Hier können sich auch die Jungen nicht davonstehlen. Zu allen Rechten gehören auch Pflichten.
Siehe auch:Interview mit Jugendkulturforscher Heinzlmaier