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Jugendgericht filetiert

Von Matthias G. Bernold

Wirtschaft

"Durchaus einvernehmlich" sei die Verteilung der Jugendrichter des mit Anfang Juli aufgelösten Jugendgerichtshof Wien auf andere Dienststellen erfolgt. Soweit der Befund des Vorsitzenden der Fachgruppe Jugendrichter, Norbert Gerstberger.


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"Dem Vorschlag, den wir dem Justizminister unterbreitet haben, wurde entsprochen", gibt sich Gerstberger im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" zufrieden. Die insgesamt 15 Richter des Wiener Jugendgerichtshofs (JGH), werden ab kommenden Dienstag bei einer neuen Dienststelle tätig sein:

Elf der Richter werden zum Landesgericht für Strafsachen wechseln, zwei werden - auf eigenen Wunsch, wie Justizminister Böhmdorfer und Gerstberger bestätigten - künftig an Bezirksgerichten tätig sein. Zwei weitere Richter gehen in Pension. Die Stelle des JGH-Präsidenten war seit der Pensionierung von Udo Jesionek nicht mehr nachbesetzt worden. Mit der Änderung des Jugendgerichtsgesetzes werden alle bezirksgerichtlichen Agenden des JGH aus dem Straf- und Pflegschaftsbereich auf die bestehenden Vollbezirksgerichte in Wien übertragen. Das Landesgericht für Strafsachen Wien übernimmt die in die Gerichtshofzuständigkeit fallenden strafrechtlichen Materien.

Derzeit stehe man in Verhandlungen über die Geschäftsverteilung, erklärte Gerstberger: "Es schaut gut aus, dass wir eine Jugendabteilung beibehalten." Alle Beteiligten seien bemüht, die Diskussion von Sachargumenten geprägt. Gerstberger: "Ich sehe eine gute Chance, dass wir die Jugendgerichtsbarkeit - wenngleich in neuem Rahmen - aufrecht erhalten können". Die Schließung des Jugendgerichts war bei Opposition, Jugendrichtern und verschiedenen Experten auf Bedenken gestoßen. Besonders die Unterbringung von jugendlichen und erwachsenen Strafgefangenen im selben Gebäude (wenngleich in unterschiedlichen Zellentrakten) war kritisiert worden. Demgegenüber hatte Böhmdorfer stets betont, dass die Eingliederung des JGH ins Straflandesgericht Kosten spare und für die jungen Delinquenten keine Nachteile brächte. Vielmehr sei die Unterbringung im alten Jugendgefängnis beim JGH menschenrechtswidrig gewesen.

Sanierungsfall Graues Haus

Im Grauen Haus, wo das Wiener Straflandesgericht, der ehemalige JGH und die Justizanstalt Josefstadt untergebracht sind, bröckelt die Fassade. Dabei wurde erst vor zwölf Jahren die Außenrenovierung abgeschlossen. Dass das Haus jetzt erneut eingerüstet ist, veranlasste Gerichtspräsident Günter Woratsch eine Anzeige wegen mangelhafter Bauweise einzubringen. Woratsch zur APA: "Wenn Sie ein Haus bauen und nach zehn Jahren bröckelt der Verputz, kann etwas nicht ordnungsgemäß abgelaufen sein."

Die Wut des streitbaren Präsidenten war auch dadurch angefacht worden, dass am Gerüst ein großes Werbeplakat prangte, was Woratsch als mit der Würde des Gerichts unvereinbar empfand. Er ließ darauf im Gericht Merkblätter anbringen, in denen er aufmerksam machte, dass die Fassaden-Werbung gegen seinen Willen betrieben werde. Woratsch: "Das nächste Mal hängen sie vielleicht etwas für eine Sex-Messe auf." Nach dem präsidialen Protest ist die Werbung inzwischen verschwunden.