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Jugendgerichtshof in Wien: Droht das Aus?

Von Matthias Bernold

Politik

Justizminister Dieter Böhmdorfer will den Jugendgerichtshof (JGH) auflassen und "möglicherweise" in das Landesgericht für Strafsachen Wien einbauen. Ein entsprechender politischer Grundsatzbeschluss ist gestern im Ministerrat ergangen.


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An der besonderen Behandlung der Jugendlichen im Strafprozess soll nichts geändert werden. Böhmdorfer erklärte, dass es sich beim JGH um eine "rechtsstaatliche Anomalie" handle. Durch die Integration ins Straflandesgericht könnten zudem sechs Planstellen im nicht-richterlichen Bereich eingespart werden. Zuständig für den Jugendbereich wäre dann - anstelle der zu streichenden Position des JGH-Präsidenten - der Präsident des Landesgerichts für Strafsachen.

Der scheidende JGH-Präsident Udo Jesionek kritisiert: "Da wird eine gut funktionierende Einheit aus Jux und Tollerei zerstört." Es gebe keine stichhaltige Argumente für die "Zerstörung" des JGH, die Zusammenfassung aller Jugendagenden - bis hin zum Jugendamt - am Gerichtshof sei ein großer Vorteil. Jesioneks Kollege am Landesgericht zeigte sich indes verständnisvoll - Günter Woratsch zur "Wiener Zeitung": "Aus unserer Sicht ist das machbar, überhaupt kein Problem", innerhalb von zwei Tagen könne man spezielle Jugendabteilungen einrichten. Auch andere große Städte wie Graz oder Linz kämen ohne Jugend-Gerichtshof aus, meinte der Gerichtspräsident.

Der Chef der Fachgruppe Jugendrichter, Norbert Gerstberger, hielt dem entgegen, dass "in jeder europäischen Großstadt ein Jugendgericht existiert". In allen Ländern würden zusätzliche Jugendgerichte geschaffen. Der JGH habe sich seit der Gründung 1928 als eigenständige Institution bewährt. Gerstberger: "Nur im Dritten Reich war er ins Straflandesgericht integriert." mgb