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Jugendkult zahlt sich nicht aus

Von Herbert Hutar

Wirtschaft

Junge Beschäftigte bald nicht mehr so leicht zu bekommen. | Altersgerechte Arbeitsplätze gegen Drop-out. | Musterbetriebe schaffen bessere Berufswelt. | Wien. "Wir sind ein junges, dynamisches Team...", oder: "Jung, dynamisch, flexibel.. .". So und ähnlich klingen die Werbesprüche, die wirtschaftlichen Erfolg mit Jugendkult gleichsetzen. Ein Erfolgsrezept mit Ablaufdatum, wie es zwar Politik und Sozialpartner erkannt haben, aber erst wenige Unternehmer.


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"Diesen Jugendkult können wir uns nicht mehr lange leisten", sagt Wolfgang Tritremmel, Bereichsleiter für Arbeit und Soziales in der Industriellenvereinigung (IV), "wir werden die jungen Leute einfach nicht mehr bekommen." Tritremmel sieht in einer Studie der Allianz Versicherung eine regelrechte "demographische Keule": Erstmals ist heuer in der EU die Zahl der 15- bis 20-Jährigen geringer als die der 60- bis 65-Jährigen. Eine Nachwuchslücke von 200.000 jungen Menschen, die sich 2030 auf 8,3 Millionen vergrößern wird. "In Österreich wird der Arbeitsmarkt 2015 kippen", meint Wolfram Littich, Österreich-Chef der Allianz. Wie diese Lücke schließen? Die Zuwanderung stößt an die Grenzen der Integrationsfähigkeit vieler europäischer Länder, gibt die Allianz zu bedenken, und sehr viele Arbeitslose sind zu wenig qualifiziert. Also müssen die Unternehmen selber darauf achten, dass ihnen die Menschen länger erhalten bleiben. Das trifft sich mit der drohenden Überforderung der Pensionssysteme.

Mit 41 Prozent liegt die Erwerbsquote der 55- bis 64-Jährigen in Österreich deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Jedoch: "Rein gesetzliche Regelungen reichen für längeres Arbeiten nicht", sagt Adolf Buxbaum, Sozialpolitiker in der Arbeiterkammer (AK).

"Nicht abbauen,sondern umbauen"

Stress, Überlastung und Krankheit lassen viele Menschen vorzeitig das Handtuch werfen. "Was kränkt, macht krank", hat schon der Psychiater Erwin Ringel erkannt. Und so muss auch die Wertschätzung für ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder Platz finden in einer leistungsorientierten Arbeitswelt. "Älter werden heißt nicht abbauen, sondern umbauen", so die Voestalpine in ihrem Life-Programm für eine bessere Arbeitswelt.

Führungsfragen spielen dabei eine Hauptrolle: Wie geht der junge Chef oder Abteilungsleiter mit den Älteren um? Ist die Meinung der Älteren wirklich so uninteressant? Kann sein, denn nur weniger als die Hälfte der Älteren über 55 haben in den letzten fünf Jahren an einer Fortbildung teilgenommen, hat die Arbeiterkammer erhoben. Eine Abwärtsspirale entsteht: Weniger Fortbildung führt zu Qualifikationsrückstand mit negativen Auswirkungen auf Arbeitsleistung und Anerkennung. Die Folgen: Frust, Krankheit, Frühpension.

Österreichischer Gewerkschaftsbund, AK, Wirtschaftskammer und IV betonen in ihrem gemeinsamen Positionspapier "Arbeit & Alter" unisono: "Die positive Einstellung der Führungskraft gegenüber älteren Arbeitskräften hat einen doppelt so starken Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit wie deren gesundes Freizeitverhalten." Und das Sozialministerium bittet mit dem Gütesiegel "NestorGold" Musterbetriebe vor den Vorhang.

Beim oberösterreichischen Busunternehmer Sabtours unterstreicht Gabriele Vockenhuber nicht nur das Gesundheitsprogramm für Ältere: "Wichtig sind neue Dienstpläne, weniger Einsätze als Springer, das reduziert den Stress und ist kostenneutral", meint sie, und: "Ältere melden sich gern als Schulungsfahrer, das schafft Wertschätzung."

Der niederösterreichische Kräuterspezialist Sonnentor in Zwettl setzt auf individuelle Arbeitszeiten sowie auf Rekrutierung älterer Beschäftigter nach ihrem spezifischen Fachwissen.

Gezielte Maßnahmen gegen Burn-out

Die Voestalpine entschärft die Belastungen durch Schichtarbeit. "Nachtschichten belasten die Menschen unter 40 um 56 Prozent mehr und über 45 um 100 Prozent mehr", bestätigt Primarius Helmut Csillag, Arbeitsmediziner bei der Voestalpine. Kürzere Schichten werden gefahren, Lohneinbußen vorübergehend durch das Arbeitsmarktservice ausgeglichen, bis das alte Lohnniveau durch die Kollektivverträge wieder erreicht wird. Auch junge Schichtarbeiter werden so vor späteren gesundheitlichen Schäden bewahrt. Ein ähnliches Modell verfolgt die TenCate Geosynthetics Austria in Linz, ein Mittelbetrieb.

Ein Beispiel aus dem Gesundheitsbereich: Die psychischen und emotionalen Belastungen sind beim Pflegepersonal weit höher als die körperlichen, hat das Sozialmedizinische Zentrum Süd in Wien-Favoriten erhoben, das führt zu einer hohen Drop-out-Rate. Damit wandern Wissen und Kompetenz aus dem Pflegebereich ab.

Jetzt werden ältere Pflegerinnen ganz gezielt als Mentorinnen für die jüngeren eingesetzt, und ein Rotationssystem innerhalb des Hauses soll vor dem Burn-out bewahren. "Wir sind erst am Anfang, aber guter Dinge, dass wir unsere Pflegerinnen und Pfleger so länger halten können", sagt Betina Töltl, im SMZ Süd verantwortlich für Personalentwicklung.

Gütesiegel NestorGold: www.bmask.gv.at Position der Sozialpartner: www.arbeitundalter.at Broschüre "Ältere ArbeitnehmerInnen - Das verborgene Gold im Unternehmen", Hg. AK und ÖGB, Wien 2010.