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Niemand darf verloren gehen: Jugendarbeitslosigkeit, Schulabbruch und Hoffnungslosigkeit bekämpfen. Soziale Investitionen zahlen sich aus.
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"Ich hab keinen Lehrabschluss, mein Leben ist sowieso gelaufen", sagt mir ein 16-Jähriger in der Notschlafstelle. 10.000 Jugendliche verlassen vorzeitig die Schule. 30.000 Kinder und Jugendliche in Österreich sind auf Unterstützung der Jugendwohlfahrt angewiesen. 148.000 werden als "manifest arm" bezeichnet, leben also unter sozial bedrückenden Lebensumständen.
Doch: Niemand darf so einfach verloren gehen. Das Jobcoaching-Projekt der Diakonie beispielweise bietet erfolgreich Begleitung, wenn es um Lehrstellen geht. In Oberösterreich fängt die Diakonie junge Leute in ihrer Notschlafstelle auf, investiert in frühe Hilfen und begleitet in 237 Schulen Kinder und Jugendliche im Alltag; sie hilft beim Lernen, hat ein offenes Ohr bei Problemen und gibt Halt, wo sonst keiner wäre. Jobcoaching und Schulassistenz sind gute Beispiele für niederschwellige Angebote, also Unterstützung ohne Hürden, lebensnah, flexibel und unbürokratisch. Beispiel heißt aber auch, dass es das nur bruchstückhaft gibt. Es bräuchte aber einen flächendeckenden Ausbau von schulunterstützender Sozialarbeit wie auch mehr Schnittstellen zwischen Schule und offener Jugendarbeit. Es geht auch darum, jungen Leuten, die als "verloren" geglaubt werden, Zukunft zu geben.
Neuere Forschungen der WU Wien zum Schulabbruch weisen auf die Mängelstellen hin: Schulinterne Risikofaktoren sind zu große Lerngruppen, mangelnde pädagogische Kooperation oder nicht vorhandenes Mentoring. Systemisch steigt das Risiko mit nichtvorhandenen ganztägigen Schulformen, dem System des Sitzenbleibens oder mangelnder vorschulischer Angebote. Außerschulisch läuft es falsch, wenn es keine Elternarbeit gibt, keine Öffnung zur Schulumgebung, zum Stadtteil und keine Kooperation mit der offenen Jugendarbeit.
Frühe Hilfen haben großen Nutzen für Kinder und Gesellschaft. Investitionen im frühkindlichen Bereich zahlen sich am meisten aus. Ein investierter Dollar entspreche einer Rendite von acht Dollar, hat Nobelpreisträger James Heckmann für die USA errechnet. Bei benachteiligten Kindern seien es sogar 16 Dollar, also eine Hebelwirkung von 1 zu 16. Nie wieder wird man Zukunftsgeld so sinnvoll einsetzen können wie zu diesem Zeitpunkt. Denn mehr soziale Probleme verursachen volkswirtschaftliche Kosten. Eine höhere Schulabbrecherquote zum Beispiel bringt durch steigende Sozialausgaben, höhere Gesundheitskosten und entgangene Steuereinnahmen Kosten von drei Milliarden Euro bei 10.000 Drop-Outs.
Insgesamt weisen 11 von 27 EU-Staaten eine Jugendarbeitslosenquote von mehr als 25 Prozent auf, 2007 war dies noch in keinem einzigen Land der Fall. Eine verlorene Generation komme da, hört man Europas Finanzminister schicksalergeben jammern. Niemand ist so einfach verloren. Man kann viel tun. Es ist für niemanden einsichtig, warum das Engagement zur Stabilisierung des sozialen Ausgleichs nicht genauso groß sein sollte wie jenes zur Stabilisierung der Finanzmärkte. Der Kampf um die Verteilung der Krisenkosten ist noch nicht gelaufen. Und mit 16 Jahren das Leben auch nicht - wirklich nicht.