)
Nur ein Drittel in Jugendstrafvollzug tatsächlich unter 18. | Ex-Jugendrichter Jesionek skeptisch. | Wien. "Wir produzieren Gewalttäter", sagt Hannes Jarolim zu den Zuständen in Österreichs Jugendstrafvollzug. Tatsächlich sind die jüngsten Berichte aus der Justizanstalt Wien-Josefstadt höchst beunruhigend: Gewalt, schwere sexuelle Übergriffe und Nötigungen scheinen fast schon an der Tagesordnung zu sein.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Haben sie ihre Haft abgesessen, kommen da brandgefährliche Existenzen heraus", sagt Jarolim und nimmt Justizministerin Claudia Bandion-Ortner in die Pflicht: "Die Ministerin soll ihre Verantwortung wahrnehmen und dafür sorgen, dass diese Zustände abgestellt werden."
Tatsächlich wird im Justizministerium intensiv überlegt, wie man die Situation im Jugendstrafvollzug verbessern könnte. Einig ist sich Bandion-Ortner mit Jarolim und anderen Experten darin, dass die Schließung des Jugendgerichtshofs 2003 unter Justizminister Dieter Böhmdorfer ein Fehler war. Für eine Neuerrichtung fehlt nun aber das Geld.
Jugendstrafvollzug findet in Österreich in zwei Anstalten statt: in der Josefstadt und in Gerasdorf im südlichen Niederösterreich. Letzteres ist eine reine Jugendstrafanstalt. Allerdings sind hier gerade einmal ein Drittel der knapp 100 Insassen tatsächlich Jugendliche, also im Alter von 14 bis 18 Jahren. Ein weiteres Drittel sind sogenannte "junge Erwachsene" zwischen 18 und 21, der Rest ist 21 und älter. Diese Personen sind sozusagen in der Jugendhaft erwachsen geworden.
Auch in der Abteilung D der Josefstadt, wo der Jugendstrafvollzug untergebracht ist, machen Jugendliche nur rund ein Drittel der mehr als 150 Insassen aus. Hier ist vor allem die Überbelegung akut. Nun gibt es Überlegungen im Justizministerium, dieses Platz- und Betreuungsproblem dadurch zu lösen, dass erwachsene Jugendhäftlinge in den normalen Strafvollzug überstellt werden, wie der "Wiener Zeitung" aus dem Kabinett Bandion-Ortners bestätigt wurde.
Ziel sei es, zumindest die Gefangenen über 21 aus dem Jugendvollzug herauszubekommen, "aber die Idee ist noch nicht ausgegoren". So müsse etwa geklärt werden, wohin man die Erwachsenen verlegt, oder ob man etwa die Jugendlichen verlegt, zum Beispiel nach Gerasdorf. Dies hätte den "Charme der Herauslösung aus dem Milieu", heißt es aus dem Justizministerium, allerdings seien Berufs- und Schulausbildung im städtischen Umfeld besser zu organisieren. Ein weiterer Aspekt: Sind alle Jugendlichen in Gerasdorf, müssten Haftverhandlungen etc. per Videokonferenz möglich sein, da sonst der Aufwand zu groß sei. Allerdings stehen Richter dieser Form der Vernehmung sehr reserviert gegenüber.
Eine ganz wesentliche Frage ist auch, ob man den erwachsenen Jugendhäftlingen nicht zu sehr schadet, wenn man sie in den normalen Vollzug überstellt. Eine der gesetzlichen Hauptaufgaben der Jugendhaft ist die Resozialisierung. Hier müsse man aufpassen, "das wir nicht alles kaputt machen", was in der Haftzeit aufgebaut wurde.
Daher steht auch der frühere Präsident des Jugendgerichtshofs, Udo Jesionek, solchen Plänen ablehnend gegenüber: "Ich halte nicht viel davon", denn internationaler Standard sei Jugendstrafvollzug bis 25. Außerdem machten viele in der Haft eine Ausbildung, diese dann abbrechen zu müssen sei "tödlich".
"Aber die Ministerin interessiert es nicht"
Auch Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser ist skeptisch: "Es gibt gute Gründe, dass auch junge Erwachsene strafrechtlich anders behandelt werden." Die Chance, eine kriminelle Karriere abzubrechen, sei nämlich bis 22 am größten.
Für Steinhauser wie für Jarolim gehören die Jugendlichen "raus aus der Josefstadt". Man solle doch eine Kaserne entsprechend herrichten, findet Jarolim. Nötig sei jedenfalls ein neues Jugendstrafrecht samt eigenem Gerichtshof und ein Strafvollzug, "bei dem die Resozialisierung im Zentrum steht". Schließlich hätten die Jugendlichen eine zweite Chance verdient - und nicht missbraucht zu werden. Aber, so Jarolim "ich habe das Gefühl, die Ministerin interessiert es nicht".