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Jugoslawiens letzte Tage

Von Breda Ozim

Politik

Belgrad - Die Bundesrepublik Jugoslawien, die im April 1992 als Ergebnis von Bemühungen des damaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic um die alleinige Nachfolge des zuvor zerfallenen wesentlich größeren föderativen Staates entstanden war, erlebt ihre letzten Tage. Der "Südslawenstaat", der zuletzt nur noch zwei von den einstigen sechs Teilrepubliken erfasste, wird nun durch einen komplizierten Staatenbund - Serbien und Montenegro - ersetzt werden. Im Versuch, einen funktionierenden Staat aufzubauen, werden Belgrad und Podgorica aber noch etliche "Erblasten" zu beseitigen haben.


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Der Staatenbund ist weder eine Föderation noch eine Konföderation. Als "beste Lösung in diesem historischen Augenblick" hatte der serbische Ministerpräsident Zoran Djindjic dennoch den Staat bezeichnet, der im Volk bereits nach seinem "Schöpfer", dem Hohen Repräsentanten für die EU-Außenpolitik, auch "Solania" genannt wird.

Das Gebiet des Staatenbundes erfasst die Gebiete der zwei Mitgliedstaaten, wobei Serbien, wie in der Präambel der Verfassungscharta steht, auch die Provinzen Vojvodina und das Kosovo, "zur Zeit unter internationaler Verwaltung im Einklang mit der Resolution des UNO-Sicherheitsrates Nr. 1244", erfasst.

Die neue Staatengemeinschaft wird keine Hauptstadt haben. Belgrad, wo der Staatschef, die Regierung und das Parlament ihren Sitz haben werden, ist ihr Verwaltungszentrum, in Podgorica wird das gesamtstaatliche Gericht tätig sein. Das Parlament des Staatenbundes hat nur eine Kammer mit 126 Abgeordneten, 91 aus Serbien und 35 aus Montenegro. Das erste Parlament wird durch die indirekte Wahl seitens der Parlamente der Mitgliedstaaten gewählt werden. Erst in zwei Jahren sollen auch erste Direktwahlen ausgeschrieben werden. Präsident und Vizepräsident des Parlamentes können nicht aus derselben Republik kommen.

Der Staatschef, der gleichzeitig auch Regierungschef ist, wird vom Parlament für vier Jahre gewählt. Präsidenten des Staatenbundes und des gesamtstaatlichen Parlamentes sollen nicht aus demselben Mitgliedstaat sein. Die gesamtstaatliche Regierung, der Ministerrat, hat fünf Ministerien - für Verteidigung, Äußeres, Außenhandel, Binnenhandel sowie Menschen- und Minderheitenrechte. Außen- und Verteidigungsminister sollen ebenfalls nicht aus derselben Republik stammen. Nach zwei Amtsjahren werden der Außen- und der Verteidigungsminister mit ihren jeweiligen Stellvertretern, die aus dem anderen Mitgliedstaat stammen, die Ämter wechseln. Eine Republik soll neben dem Staatschef zwei Minister stellen, die andere drei.

Das gesamtstaatliche Gericht setzt sich aus derselben Richterzahl aus jedem Mitgliedstaat zusammen. Das Gericht ist für die Rechtsstreitigkeiten zwischen den gesamtstaatlichen Institutionen, aber auch zwischen den zwei Mitgliedstaaten zuständig. In seine Zuständigkeit fällt auch die Harmonisierung der Verfassungen der Mitgliedstaaten mit der gesamtstaatlichen Verfassungscharta.

Das Militär unterliegt der demokratischen und zivilen Kontrolle. Die Militärgerichte werden abgeschafft. Rekruten leisten den Wehrdienst in der eigenen Republik. Die Möglichkeit, den Wehrdienst nach Wunsch auch im anderen Mitgliedstaat zu leisten, ist nicht ausgeschlossen. In der Verfassungscharta ist das Recht auf die Dienstverweigerung gesichert. Als Militärbefehlshaber fungiert der Oberste Verteidigungsrat, dessen Mitglieder der gesamtstaatliche Präsident sowie die Staatschefs der beiden Mitgliedstaaten sind.

Die Verfassungscharta sieht vor, dass sich die Mitgliedstaaten erst nach dem Ablauf der Dreijahresfrist bei einem Referendum über den Austritt aus dem Staatenbund äußern dürfen. Die Unklarheit, ab wann genau diese Frist - ab März 2002, als das Belgrader Rahmenabkommen angenommen wurde, oder ab der Erlassung der Verfassungscharta im jugoslawischen Parlament - läuft, ist auch mit dem Verfassungsgesetz nicht behoben worden.

Entscheidet sich ein Mitgliedstaat für den Alleingang, so bleibt die andere Republik der einzige Nachfolger des gemeinsamen Staates. Dadurch wurde vor allem den Sorgen Serbiens Rechnung getragen, dass im Falle eines Austrittes von Montenegro aus dem Staatenbund auch das Kosovo automatisch seine Unabhängigkeit erlangen würde. Wie die Dinge nun stehen, wird der UNO-Sicherheitsrat die Entscheidung über den Status der Provinz nach vorherigen Verhandlungen mit Pristina und Belgrad treffen.