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Der Chef der deutschen Euro-Austrittspartei AfD, Bernd Lucke, wird aus dem EU-Parlament ausscheiden, wenn seine Partei bei der nächsten nationalen Wahl ins deutsche Parlament einzieht. Wozu ließ er sich dann wählen? Zwischen den beiden Rechtsaußen-Fraktionen der EU-Skeptiker und der EU-Gegner beginnt ein Rennen um einzelne Mandatare, um die jeweils gewünschte Stärke zu erreichen. Welche Haltung offenbart sich dabei wohl? Die Beispiele zeigen, dass diese Parteien zwar eindeutig die Wahlsieger vom Sonntag sind, aber dass von ihnen nichts Konstruktives zu erwarten ist.
Woher auch, denn der Befund, dass Millionen französischer und britischer Bürger plötzlich an den rechten Rand abdriften, ist natürlich Unsinn. Es geht vielmehr um die Politik der sogenannten Parteien der Mitte: François Hollande (Frankreich) und David Cameron (Großbritannien) haben eines gemeinsam: Führungsschwäche und keine Idee, was sie als Regierungschef eigentlich machen sollen. Genau so präsentiert sich ihre Europa-Politik. Hollande will Europa reformieren, Cameron will es stutzen. Wie und warum, vermögen beide nicht zu sagen - mehr als Schlagworte kommen nicht.
Wenn sie aber nun auch noch mithelfen, im Europäischen Rat den Willen einer großen Mehrheit des gewählten Parlaments zu missachten und Jean-Claude Juncker nicht als Kommissionspräsidenten nominieren, ist ihnen tatsächlich nicht zu helfen. Denn die politischen Zores, die sie sich damit einhandeln, werden ihr politisches Ende beschleunigen.
Natürlich gefallen sich Regierungs- und Parteichefs grundsätzlich in der Rolle der Königsmacher, das gehört auch zum Spiel. Und in Brüssel sind Top-Jobs zu vergeben. Aber sie sind Königsmacher in ihren Ländern, und nicht auf EU-Ebene. Denn dort ist das Parlament die einzige demokratisch legitimierte Institution. Beim informellen Abendessen der 28 Regierungschefs mag das Feilschen zum guten Ton gehören - aber es sollte bleiben, was es ist: ein Abendessen. Das Menü aber haben die Wähler gerichtet, und das EU-Parlament hat nun - beeindruckend parteiübergreifend - gesprochen: Juncker soll Kommissionspräsident werden. Stimmt.
Halten sich die Regierungschefs nicht daran, bekommen die EU-zerstörerischen Kräfte noch mehr Zulauf. Und die treten prophylaktisch zurück, ehe sie angelobt sind - siehe Lucke.