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Juncker richtet Blick nach vorn

Von Martyna Czarnowska

Politik

EU-Kommissionspräsident schmiedet in seiner Rede vor dem EU-Parlament Pläne für eine Reform der Gemeinschaft.


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Straßburg/Wien. Mehr Optimismus ist auf jeden Fall zu erwarten. Wenn EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Mittwoch in Straßburg vor das Plenum des EU-Parlaments tritt, um seine jährliche Rede zur Lage der Union zu halten, ist in dieser die Stimmung um einiges positiver als zum Zeitpunkt des vorigen und vorvorigen Auftritts. Vor zwei Jahren war es der Höhepunkt der Flüchtlingskrise, vor einem Jahr saß den EU-Politikern der Schreck über das Ergebnis des Brexit-Referendums noch tief in den Knochen: Das war der Hintergrund, vor dem Juncker Appelle für mehr Solidarität und ein Zusammenrücken der Europäer hielt.

Doch das Krisenbewältigungsprogramm steht mittlerweile nicht mehr im Fokus der europäischen Debatten. Vielmehr scheinen sich diese in Richtung Zukunftsvisionen verschoben zu haben. In Paris werden schon Pläne für eine Neugestaltung der EU geschmiedet, auch wenn sich Staatspräsident Emmanuel Macron mit konkreten Forderungen noch zurückhält. Denn er will sich mit der neuen deutschen Regierung abstimmen, die nach der Bundestagswahl Ende des Monats gebildet wird. Dennoch darf Macron schon jetzt mit Zustimmung zu einigen seiner Ideen rechnen - und das nicht nur in Berlin, sondern auch in Brüssel.

Eine Stärkung der Eurozone kann die EU-Kommission nämlich nur begrüßen. So dürften in Junckers Rede erneut die Vorschläge zur Etablierung eines Haushalts und eines Finanzministers für den Euroraum vorkommen. Das ist etwas, womit sich ebenfalls die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel anfreunden könnte, auch wenn sie die Details wohl anders regeln würde als Macron. Ebenso im Gespräch war bereits die mögliche Umwandlung des Euro-Kriseninstruments ESM zu einem Europäischen Währungsfonds.

Ein Argument dafür wäre, dass sich der Internationale Währungsfonds aus der Eurozone immer mehr zurückzieht. Außerdem wurde der Vertrag über den ESM zwischen den Mitgliedstaaten geschlossen und kann somit von diesen angepasst werden. Änderungen der EU-Verträge, die ein mühsames und vielleicht nicht von Erfolg gekröntes Unterfangen wären, sind dazu nicht nötig.

Doch die Überlegungen Junckers gehen über die Währungsgemeinschaft hinaus. Schon vor Monaten präsentierte die Kommission ein Zukunftspapier, in dem sie unterschiedliche Szenarien für die weitere Integration der Union entwarf. Die Ideen reichen von einem "Weiter wie bisher" über verstärkte Zusammenarbeit in bestimmten Bereichen bis hin zu einer Vertiefung der Gemeinschaft, die das Teilen nationaler Kompetenzen mit den anderen Mitgliedern voraussetzen würde.

Ruf nach Zusammenarbeit

So kann sich Juncker eine engere Kooperation etwa in der Verteidigungs- oder Handelspolitik vorstellen. Er soll beispielsweise ein EU-Gesetz ankündigen, mit dem die Mitgliedstaaten Übernahmen durch staatliche chinesische Konzerne im Bereich der Infrastruktur verhindern können.

Das ist im EU-Parlament schon auf Sympathie gestoßen. Der ÖVP-Abgeordnete Paul Rübig lobte die Initiative. Andere österreichische Mandatare haben ebenfalls ihre Erwartungen an Juncker. So wünscht sich die SPÖ-Mandatarin Evelyn Regner eine Stärkung der sozialen Säule der Union. Die EU sei eine Wertegemeinschaft: "Sie wird sozial sein oder sie wird nicht sein", zitiert sie die Austria Presseagentur. Der Leiter der ÖVP-Delegation, Othmar Karas, wiederum hätte gern, dass Juncker die Sorgen um die Rechtsstaatlichkeit in Polen und Ungarn anspricht. Gegen Warschau läuft ein entsprechendes Prüfverfahren, und die Regierung in Budapest hat zuletzt für Unmut gesorgt, weil sie ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Flüchtlingsverteilung in der EU ohne Folgen lassen möchte.

Für Juncker jedenfalls könnte die diesjährige Rede zur Lage der Union eine der wichtigsten werden - möglicherweise sogar wichtiger als die im kommenden Jahr, wie der Kommissionspräsident in einem Interview bemerkte. Denn die Zeit für Initiativen in der aktuellen Amtsperiode der Brüsseler Behörde ist begrenzt. Heuer und im nächsten Jahr kann sie noch Gesetzesentwürfe vorlegen. Danach wird Wahlkampf im Vordergrund stehen: 2019 werden die EU-Organe neu bestimmt.