Brüssel sieht "sensationellen" Erfolg für Investitionsfonds – Kritiker bestreiten das.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Brüssel/Wien. Der erste Jahresbericht der EU-Kommission zum milliardenschweren EU-Investitionsfonds löst bei den Europaabgeordneten keine Jubelschreie aus. Zwar sei der Efsi (Fonds für Strategische Investitionen) prinzipiell eine gute Sache, ist da zu hören - doch gebe es Luft nach oben.
Der Fonds, auch "Juncker-Plan" genannt, stammt aus dem vergangenen Jahr und soll öffentliche und private Investitionen ankurbeln, um die Konjunktur in den Mitgliedstaaten anzutreiben und die hohe Arbeitslosigkeit in vielen Ländern zu bekämpfen. Konkret will die Kommission den Fonds mit 21 Milliarden Euro als Hebel nutzen, um insgesamt 315 Milliarden Euro an den Märkten lockerzumachen - eine "Vodoo-Rechnung", wie Kritiker sagen. Dabei sollen Projekte gefördert werden, die es sonst schwer haben würden, Finanzierungen zu finden. Unterstützt werden sollen sie durch Gelder beziehungsweise Kredite der Investitionsbank (EIB), die den Fonds verwaltet.
Vizekommissionschef Jyrki Katainen schwärmt regelrecht für das Projekt: Es habe im ersten Jahr "sensationell" funktioniert. 249 Projekte in 26 EU-Staaten habe der Efsi auf den Weg gebracht, rund 100 Milliarden Euro wurden investiert, insgesamt sind 140.000 Klein- und Mittelbetriebe an Kredite gekommen. Der Efsi hat dafür 12,8 Milliarden Euro ausgegeben.
Nun will die Kommission den Juncker-Plan über die drei geplanten Jahre hinaus verlängern. Dass sie sich damit durchsetzt ist fraglich, denn viele EU-Mitgliedstaaten zögern - und die Verlängerung muss von den EU-Finanzministern bestätigt werden. Ihnen fehlt die Euphorie, mit der die Kommission ihren Plan zur Anhebung der Konjunktur feiert. Von der SPÖ-Delegation im EU-Parlament heißt es, die Kommission würde sich den Fonds "schönreden". Der deutsche EU-Abgeordnete Markus Ferber (CSU) stellt gar infrage, dass es sich bei den von Efsi angestoßenen Mitteln tatsächlich um neue Investitionen handelt: "Wahrscheinlicher ist, dass Investitionen, die ohnehin stattgefunden hätten, nun ein Efsi-Siegel tragen dürfen." Auch der Fraktionschef der Sozialdemokraten im EU-Parlament Gianni Pittella möchte, dass noch riskantere Projekte unterstützt werden.
Ob die Efsi-finanzierten Projekte sonst keinen Investor gefunden hätten sei schwer zu beurteilen, sagt Devin Bicer von der wirtschaftspolitischen Abteilung der WKO. "Die EIB entscheidet über die Projekte, man müsste wissen, ob sie anderswo schon abgelehnt wurden, also in welchem Finanzierungsstadium sie sich befanden." In Österreich wurden bisher zwei Projekte vom Efsi genehmigt: ein Windpark in Bruck an der Leitha und die thermische Sanierung von Krankenhäusern in Wien. "Bei beiden entstehen Arbeitsplätze, auch Umwelteffizienz spielt eine Rolle", sagt Bicer. Hauptprofiteure seien die Umwelttechnikbranche und der Bausektor.
Dass es sich dabei um Risikoprojekte handelt, die sonst keinen Investor gefunden hätten, darf bezweifelt werden. Der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister glaubt auch nicht daran, dass alles nach Plan läuft, wie die Kommission behauptet. Immerhin gehe es darum, zusätzliche Investoren für Bereiche zu finden, die früher öffentlich gefördert wurden. "Wenn alles nach Plan liefe, dann hätten die Projekte in kurzer Zeit aus dem Boden gestampft werden müssen. Bei Investitionen in die Infrastruktur gibt es aber sehr aufwendige Prüfungen." Die Wahrscheinlichkeit, dass neue Projekte so schnell Förderungen erhalten sei also gering. Bei der Sanierung der Krankenhäuser etwa sei es "nicht leicht vorstellbar, dass sie erst durch den Juncker-Plan entstanden sind".
"Juncker ist schlauerals viele andere"
Für Schulmeister ist der Efsi "eine sinnvolle Maßnahme innerhalb eines unsinnigen Rechtssystems": "Wir haben die groteske Situation, dass die EU-Kommission Wege sucht, die Rechtsnormen der EU zu umgehen. Der Fiskalpakt ist der selbst geschaffene Käfig - und wir haben den Schlüssel hinausgeworfen." Der Juncker-Plan, so der Ökonom, versuche Finanzierungsmittel von privater Seite zu lukrieren: Eine Belebung der Wirtschaft, die nicht der Staatsschuld angerechnet wird. Früher, vor Maastricht-Zeiten und dem verschärften Fiskalpakt, habe die öffentliche Hand die Finanzierung übernommen. "Nun sollen das Private übernehmen", sagt Schulmeister. Der EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sei eben schlauer als viele andere - und habe verstanden, dass das bestehende Regelwerk eine Gefahr für die EU sei, die nicht aus ihrer wirtschaftlichen Stagnation herauskommt.