Um die Lähmung der Europäischen Union nach den Niederlagen der Verfassung in Frankreich und den Niederlanden zu lindern, plädiert der Luxemburger Premier und Ratsvorsitzende Jean-Claude Juncker für Geschlossenheit beim Ringen um den Haushalt für die Jahre 2007 bis 2013. Die Reaktionen auf einen neuen Kompromissvorschlag könnten auf Beweglichkeit der bisher völlig starren Fronten hindeuten.
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Eine Einigung auf das künftige Rahmenbudget ist für Jean-Claude Juncker ein Muss. Bis zum EU-Gipfel am 16. und 17 Juni solle ein Zeichen für die Handlungsfähigkeit der Union gesetzt werden, appellierte der Ratsvorsitzende. Nach dem Treffen mit Juncker ließ denn auch der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder mit einer Kehrtwende aufhorchen: "Deutschland ist bereit, sich zu bewegen", sagte er - statt wie früher "ein Prozent ist ein Prozent".
Der Ratspräsident war den Nettozahlern mit einem neuen Kompromissvorschlag weiter entgegengekommen. Mit 1,06 Prozent oder 875 Mrd. Euro liegen die Luxemburger nun am unteren Ende ihres letzten Vorschlags, der ausschließlich Abwehrreaktionen hervorgerufen hatte. Keinesfalls sollte ein Prozent angetastet werden, hatte der Sechserklub damals noch geschlossen erklärt. 815 Mrd. seien das absolute Limit. Aber das war vor den Referenden in Frankreich und den Niederlanden.
"Ein Fehlschlag der Finanzperspektive würde bewirken, dass sich aus den großen europäischen Schwierigkeiten eine große europäische Krise entwickelt", warnte Juncker. Die Niederlagen der Verfassung "könnten eine positive Dynamik" in die Finanzverhandlungen führen, meinte ein Diplomat. Auch die EU-Kommission, die sich mehr als 1.000 Mrd. Euro gewünscht hat, fand den neuen Vorschlag zwar "enttäuschend". Für eine Einigung im Juni gäbe es jedoch gute Chancen, sagte eine Sprecherin. "Das ist in der derzeitigen Lage umso wichtiger". Aber die Zeit ist mehr als knapp. Noch Anfang der Woche hatte es in der seit Jahren schwelenden Debatte keinerlei Annäherung gegeben. Diplomaten erwarten jedoch ein positives Signal beim Gipfel.
Wie stark das Zeichen sein wird, hängt wesentlich vom britischen Premier Tony Blair ab, der erst am 14. Juni mit Juncker zusammentrifft. Weiterhin ist nämlich das Einfrieren und auf lange Sicht das Auslaufen des derzeit rund viereinhalb Milliarden schweren Beitragsrabatt für die Briten geplant. Den hat London mehrfach unter Androhung eines Vetos verteidigt.
Ratifizierung ungewiss
Unterdessen stellen EU-Staaten reihenweise ihre Referenden zur EU-Verfassung in Frage. Die Briten dürften ein Einfrieren des Ratifizierungsprozesses anstreben. Auch der irische Außenminister Dermot Ahern wollte eine Absage der Abstimmung am Freitag erstmals nicht ausschließen. Angesichts sinkender Umfragewerte könnte auch das Referendum in Dänemark im September wackeln. Dort sind die Befürworter zwar noch in der Mehrheit, die Zustimmung hat zuletzt aber rapide abgenommen - ebenso in Luxemburg. Dort ist die Abstimmung jedoch fix. Juncker hat angekündigt, im Falle eines Nein zurückzutreten.