Wie die neue EU-Kommission aussehen wird, soll nächste Woche entschieden werden.
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Brüssel. Alle warten auf Junckers Liste. Am EU-Sondergipfel nächsten Samstag will der künftige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die designierten Kommissare bekanntgeben. Nach seinem umstrittenen Amtsantritt fürchten viele Mitgliedsstaaten Machteinbußen und streiten sich um die wichtigsten Portfolios. Es wird keine leichte Aufgabe, die Posten auf die zankenden Mitglieder zu verteilen - und dabei auch noch eine ansehnliche Frauenquote durchzusetzen.
Um die Posten attraktiver zu gestalten, zieht Juncker eine Umstrukturierung der Kommission in Erwägung. Eine Möglichkeit wäre, Ex-Regierungschefs mit Managementaufgaben zu betrauen. Die Nominierten Finnlands, Lettlands und Estlands wären hierfür qualifiziert; sie alle sind ehemalige Premiers.
Erstmals in den Raum gestellt wurde diese Idee von Martin Selmayr, dem Stabschef Junckers. Er schlug vor, "Filterrollen" zwischen dem Präsidenten und den restlichen Kommissaren einzuführen. Solch eine Umstrukturierung würde dieser Art Superkommissare ohne Portofolio mehr Einfluss verleihen, da sie die Arbeit jener mit Portfolios koordinieren würden.
Große Staaten fürchten Machtverlust
Da die Anzahl der EU-Kommissare mit Portefolio reduziert wurde, steht Juncker vor dem Problem, dass die Verantwortungsbereiche an Einfluss verlieren, da dieselben Aufgaben auf mehr Leute aufgeteilt werden. Daher liegt es nahe, eine zusätzliche hierarchische Ebene einzuführen. Doch Insidern zufolge stößt das bei vielen Mitgliedsstaaten auf Ablehnung. Besonders die Großen - die sich traditionell die wichtigen Portofolios sichern - fürchten, einer privilegierten Gruppe unterstellt zu werden. Alle für die Filterrollen infrage kommenden Kandidaten - die Ex-Premiers Finnlands, Estlands und Lettlands - sind sowohl aus dem Norden als auch männlich. Das widerspricht den Prinzipien des europäischen Parlaments, das erwartungsgemäß eine ausgewogenere Zusammensetzung dieses Managementstabs fordern würde.
Eine weitere Möglichkeit zur Umstrukturierung wäre, die begehrten Wirtschaftsressorts weiter aufzuspalten, um mehr Mitgliedsstaaten zufriedenzustellen. So munkelt man, dass es bald ein eigenes Ressort für Finanzmärkte geben könnte.
Der Druck, Nägel mit Köpfen zu machen, ist jedenfalls groß: In der ersten Septemberwoche soll Juncker seine Dossiers und "sein Kabinett" bekanntgeben können und die neue Kommission am 1. November ihre Arbeit aufnehmen. Jedoch scheiterte der letzte Gipfel Mitte Juli an den Personalfragen. Eine der hart umkämpften Posten ist jener des oder der neuen Außenbeauftragten.
Ringen um Besetzung des Außenbeauftragten
Besonders umstritten ist die Kandidatur der Italienerin Federica Mogherini als Nachfolgerin Catherine Ashtons als Hohe Außenbeauftragte. Während Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi die 41-jährige Außenministerin mit allen Mitteln durchsetzen will, halten Kritiker sie für zu unerfahren. Osteuropäische Staaten fürchten außerdem, sie könnte zu russlandfreundlich sein. Ihr Konkurrent, Radoslaw Sikorski, ist polnischer Außenminister. Er hat eine gute Ausgangslage, da bei der Besetzung besonderes Augenmerk auf die jüngeren Mitgliedsstaaten gelegt werden soll.
Mogherini würde dafür den - nach Stand der Dinge dürftigen - Anteil an Frauen aufpeppen. Noch im Europawahlkampf hat Juncker eine 40-prozentige Frauenquote gefordert. Auch das EU-Parlament hat dies anfangs verlangt, doch schließlich dürfte die Quote sogar noch geringer ausfallen als unter dem scheidenden Kabinett Barrosos: Waren bisher 9 von 28 Köpfen weiblich, könnten es nun höchstens acht werden - die unbestätigte belgische Kandidatin Marianne Thyssen miteingerechnet. Das wären weniger als 30 Prozent. Auch Österreich entspricht mit der Nominierung Johannes Hahns nicht der Wunschvorstellung Junckers. Laut Bundeskanzler Faymann sei dies nicht passiert, weil es keine geeigneten Kandidatinnen gebe, sondern weil man mit dem bewährten Regionalkommissar zufrieden sei und folglich "keinen Grund für einen Wechsel" gesehen habe.
Es ist fraglich, ob die momentane Zusammensetzung des Kabinetts sowohl bei Juncker als auch beim Europäischen Parlament durchgehen wird. Kommt es allerdings zu Neunominierungen, um den Frauenanteil anzuheben, so könnte auch Hahn der Quote zum Opfer fallen.