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Junckers hoher Einsatz

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat mit hohem Einsatz gespielt, aber wie es ausschaut, gewonnen. Er hat nicht nur neun Frauen im Team, wie gefordert, sondern wird die EU-Kommission in einem nie gekannten Ausmaß umbauen. Auf Herausforderungen wie die Ukraine-Krise und die Sanktionen gegen Russland wird wohl rascher reagiert werden können. Denn die Kommission wird über "Super-Kommissare" verfügen, die "fächerübergreifend" für Themen zuständig sein werden.

Angesichts der versammelten Kompetenz in Brüssel bedeutet das für die nationalen Regierungen eine ziemliche Herausforderung. Denn die Kommission wird selbst regierungsähnlicher. Fünf Ex-Regierungschefs sitzen im Team Junckers, da sollte schon was weitergehen.

Damit wird der Luxemburger - im Gegensatz zum Vorgänger Barroso - kein Moderator, sondern Gestalter. Da Junckers feste Überzeugung lautet, in wichtigen Politikfeldern eine stärkere Integration der EU zustande zu bringen, werden sich die Räte und das Europäische Parlament anstrengen müssen.

Denn künftig werden nicht mehr singuläre Vorschläge unterschiedlicher Sinnhaftigkeit aus der Kommission kommen, sondern komplexe Richtlinien. Für die nationalen Regierungen wird das wohl bedeuten, dass auch sie sich - auf Europa bezogen - neu organisieren müssen. Österreichs Bundeskanzler etwa wird eine umfassende EU-Richtlinienkompetenz benötigen. Es würde wohl keinen schlanken Fuß machen, keine Antworten parat zu haben, nur weil sich in Wien mehrerer Ministerien nicht einigen konnten. Denn diese Kommission wird Themen von allen Seiten angehen.

Das Europäische Parlament wiederum wird sich ebenfalls inhaltlich aufpumpen müssen. Um die Industrie in Europa wieder flottzubekommen, wird die Kommission künftig einen Vorschlag machen, der Energie-, Forschungs-, Bildungs- und Sozialpolitik gleichermaßen umfasst.

Junckers Plan bedeutet - bis zum Ende gedacht - das Ende der Herrschaft der Spezialisten und die Wiedergeburt der Universalisten.

Aus manchen Bereichen wird sich die EU zudem zurückziehen, die beliebte nationale Ausrede, Brüssel sei schuld, wird nicht mehr funktionieren. Junckers EU könnte das Gesetz des Handelns wieder an sich reißen, genau das will er auch. Europa würde es gut tun.