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Jung in die Kaufsucht-Falle

Von Stefan Meisterle

Wirtschaft
Junge Frauen sind laut einer neuen Studie der Arbeiterkammer von der Kaufsucht besonders gefährdet.
© bilderbox.at

Zwei von drei jungen Frauen von Kaufsucht gefährdet.
| Arbeiterkammer sieht Zusammenhang mit sozialen Problemen.


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Wien. Die Schuhe aus der Auslage, das Handy aus der Werbung, das Schnäppchen aus dem Kosmetikladen – was viele Konsumenten allenfalls zu interessierten Blicken verleitet, stellt für jeden vierten Österreicher rasch ein gravierendes Problem dar. Denn 28 Prozent aller Konsumenten sind in Österreich kaufsuchtgefährdet, wie eine aktuelle Studie der Arbeiterkammer (AK) belegt. Bedenklich daran ist weniger dieser Prozentsatz, der seit 2008 im wesentlichen stabil bleibt, sondern die Zusammensetzung dieser Gruppe. Denn speziell für junge Österreicher wird die Neigung zur Kaufsucht immer realer.

"Oft verspüre ich den Drang, irgendetwas zu kaufen": Mit dieser Aussage kann sich zufolge der Kaufsucht-Studie, die das Gallup-Institut und die Karmasin Marktforschung im Auftrag der AK erstellt haben, ein großer Teil der Jugendlichen identifizieren. "Wir sehen eine Steigerung gerade bei den 14- bis 24-Jährigen", betont Psychotherapeutin Irene Kautsch. Der Anteil dieser jungen Altersgruppe an der Gesamtheit der Kaufsuchtgefährdeten ist von 34,6 Prozent im Jahr 2008 auf 45,6 Prozent gestiegen. "Je jünger die Menschen sind, desto deutlicher sind sie gefährdet", fasst Kautsch zusammen.

Interessant und "verblüffend" sei bei der jüngsten Erhebung, dass sich junge Menschen - anders als bei Ausbruch der Finanzkrise 2008 - von der pessimistischen Wirtschaftsberichterstattung in den Medien nicht beeindrucken ließen. Während die Kaufsuchtgefährung von 2007 auf 2008 stark zurückging, blieb sie in diesem Jahr stabil bei 28 Prozent, nachdem sie im Vorjahr 27 Prozent betragen hatte. Kautsch erklärt sich diese unerwartete Entwicklung mit einem emotionalen Fluchtverhalten, das viele Studien nahelegen würden: "Junge Leute tendieren auf die Verunsicherung in der Bevölkerung dazu, klassische Rollenbilder anzunehmen". Der Konsum würde also der Jugend dabei helfen, sich Stabilität zu verschaffen.

Neben dem Alter spielt bei der Kaufsuchtgefährdung darüber hinaus auch das Geschlecht eine große Rolle. So sind zwei von drei jungen Frauen in der jüngsten Altersgruppe stark oder deutlich gefährdet, bei den gleichaltrigen Männern beträgt der Anteil der zur Kaufsucht neigenden Personen gerade einmal knapp über ein Drittel. Weniger Einfluss haben dagegen die Vermögensverhältnisse: "Einkommensschwächere sind nahezu gleich betroffen wie Einkommensstärkere", betont Karl Kollmann, stellvertretender Leiter der Abteilung Konsumentenpolitik der AK Wien.

Ausweg aus dem unerfreulichem Alltag
Für Kollmann sind diese Erkenntnisse in jedem Fall besorgniserregend. Gerade bei den Jungen zeige sich, dass der Konsum als beliebtes Mittel betrachtet wird, "dem unerfreulichen Alltag zu entkommen". Häufig stehe Kaufsucht in einem engen Zusammenhang mit Einsamkeit, Frust oder Problemen in der Schule und am Arbeitsplatz. Das Shoppen wird so zum Ventil sozialer Sorgen und zu einer Möglichkeit, auf einfache Weise persönlichen Erfolg erleben zu können. Soziale Anerkennung und Identität beruhen in Österreich gleichzeitig stärker auf dem Konsum als das in nördlichen Ländern der Fall ist, betont Kollmann unter Verweis auf Ergebnisse ähnlicher Studien in Deutschland und Dänemark.

Problematisch sei die Neigung zur Kaufsucht insbesondere in Hinblick auf die zunehmende Privatverschuldung junger Menschen. Erst kürzlich belegte die Insolvenzstatistik des Alpenländischen Kreditorenverbands (AKV) – die "Wiener Zeitung" berichtete – den Zuwachs bei Privatpleiten junger Menschen. Gerade im Alter von rund 25 Jahren wäre ein sprunghafter Anstieg festzustellen, der auf Schuldnerkarrieren beruht, die ihren Ausgang häufig noch vor dem zwanzigsten Lebensjahr nehmen.

Wie der AKV nimmt auch Kollmann angesichts dieser Entwicklung die Bildungspolitik in die Pflicht: "Wir brauchen dringender als je zuvor eine Verbrauchererziehung in der Schule." Denn schließlich gelte es, eine Entscheidung zwischen "Kauf, Baby, Kauf"-Slogans der Werbung und einem Weg des vernünftigen Konsumierens zu finden.