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+++ Die Menschheit wird im Durchschnitt immer dicker. | Doch manche "verhungern über vollen Schüsseln". | Auch Männer leiden zunehmend unter Essstörungen. | Unter Anorexie (Magersucht), Bulimie (künstlich herbeigeführtes Erbrechen nach dem Essen) und Binge Eating Disorder (permanenter Heißhunger) leiden in der Regel nur junge Frauen? - Falsch. Die jungen Männer holen diesbezüglich längst auf, nur leiden sie etwas anders unter den genannten Störungen. Und: Während den meisten Mädchen irgendwann zumindest bewusst wird, dass sie ein Problem haben, sind die jungen Männer Meister im Verdrängen.
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Bernhard Wappis, 1976 in Kärnten geboren, weiß darüber vermutlich besser Bescheid als jeder andere, da er nicht nur selbst durch den Teufelskreis an Sportsucht und Bulimie gegangen ist, sondern nach erfolgreicher Therapie ein Studium der Psychologie und Pädagogik begonnen hat und derzeit die Vorausbildung zum Psychotherapeuten absolviert.
Seine Selbst-, Umwelt- und Therapieerfahrungen beschreibt Wappis offen in seinem soeben veröffentlichten Buch "Darüber spricht man(n) nicht", das nicht nur Betroffenen helfen kann, sondern auch Eltern und Pädagogen die Augen öffnen sollte. Nicht nur i.v.-Drogensüchtige haben unter dicker Kleidung mit langen Ärmeln etwas zu verbergen . . .
Sucht nach Sport
Es gibt viele psychische Ursachen für Essstörungen und eine Reihe von Grundmustern in deren Entwicklung. Wappis nennt hierzu einen bisher nahezu gänzlich übersehenen Faktor: Die insbesondere bei Männern ins Gewicht fallende Einstiegsdroge Sport.
Sport ist gesund. Sport hilft beim Abnehmen. Sport bewirkt gutes Aussehen. Sport ist Körperbeherrschung: Mann hat alles im Griff, vor allem sich selbst. Ein Irrtum, der täglich wieder bestätigt werden muss - bei Dauerlauf, am Ergometer, an Hanteln, mit Liegestützen und - wie im Fall Wappis - bis zu 1000 sit-ups, erbarmungslos.
Kommt, über den Tag verteilt, als Nahrung noch eine Schale Tee, ein Apfel und ein halber Becher Magerjoghjurt dazu, ist man alsbald auf 48 Kilo bei einer Körpergröße von 168 Zentimetern - und, auch wenn man es immer noch nicht wahrhaben will, längst ein Fall für die Klinik.
Bei Wappis kam´s indessen nach dieser Phase noch schlimmer: Bulimie. Also Berge wahllos verschlungener und kurz danach wieder erbrochener Lebensmittel. Ein völliges Beherrschtsein vom Gedanken an das Essen und dem nachfolgenden Masochismus, dem Quälen des Körpers zu Gunsten der Waage. Eine der Folgen: Schwere Zahnschädigungen durch die viele Magensäure.
Doch nicht nur sein unverhohlener Bericht macht Wappis Buch so wichtig, sondern dass er im Anhang ausführlich über Krankheitsbilder, Behandlungsmöglichkeiten sowie Kontakadressen informiert.
Bernhard Wappis: "Darüber spricht man(n) nicht...! - Magersucht und Bulimie bei Männern". Verlag Books on Demand, Norderstedt, 2005. ISBN 3-8334-2744-2. Infos: www.mann-sein.at