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Junge Männer, die zu Mördern werden

Von Klaus Huhold

Politik

Der dänische Film "Warriors from the North" zeichnet den Weg von Einwanderern aus Somalia nach, die sich der Terrororganisation Al-Shabaab anschließen. Was sind ihre Beweggründe? Ein Gespräch mit Regisseur Soren Steen Jespersen.


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Wien. Der Film startet mit einer Explosion: Während einer Promotionsfeier in Somalia, während die frisch ausgebildeten Doktoren gerade vor ihren gerührten Familienangehörigen ihre Diplome entgegen nehmen, gibt es plötzlich einen lauten Knall. Ein Selbstmordattentäter hat sich in die Luft gesprengt und mehr als 20 Menschen getötet.

Der Attentäter ist ein junger Mann namens Abdi, der in Kopenhagen aufgewachsen ist. Der Sohn somalischer Einwanderer hat sich in Dänemark radikalisiert und später Al-Shabaab angeschlossen - einer islamistischen Terrororganisation, die in dem Bürgerkriegsland die Zentralregierung und alles, was mit dieser zu tun hat, bekämpft. Die dänische Dokumentation "Warriors from the North", die heute, Donnerstag, im Rahmen des Menschenrechts-Filmfestivals "this human world" im Wiener Schikaneder-Kino gezeigt wird, verfolgt den Lebensweg von Abdi und anderer junger Somalier, die sich entschließen, Al-Shabaab-Kämpfer zu werden.

Erzählt wird dabei die Geschichte einer Gemeinschaft von jungen Leuten in Kopenhagen, die sich immer mehr radikalisieren, erzählt wird die Geschichte eines Aussteigers aus dieser Zelle, der noch immer mit Wehmut an den Zusammenhalt, den er dort erlebt hat, zurückdenkt. Erzählt wird auch die Geschichte eines verzweifelten Vaters, der versucht, seinen Sohn, der sich Al-Shabaab angeschlossen hat, zurückzugewinnen.

Regisseur Soren Steen Jespersen bestätigt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", was in der Dokumentation ohnehin schon klar zum Ausdruck kommt: Dass es keine einfachen Antworten gibt, warum junge Menschen zu Terroristen werden. Doch zeigen sich in den Biographien junger radikalisierter Somalier immer wieder Parallelen.

Exzess und Verzweiflung

"Sie fühlen sich oft verloren, sind zerrissen zwischen ihrer Tradition und dem westlichen Leben", sagt Jespersen, der gemeinsam mit Nasib Farah - einem Journalisten, der selbst aus Somalia stammt - diesen Film gedreht hat. Die somalische Identität der jungen Einwanderer erleidet in Europa Schrammen: So sind oft die Väter, die der Tradition gemäß die Familie zu versorgen haben, nun plötzlich arbeitslos (unter anderem auch, weil sie während Asylverfahren nicht arbeiten dürfen), verlieren ihre Rolle und damit auch den Respekt ihrer Söhne, erklärt Jespersen.

Gleichzeitig sind da plötzlich Verlockungen wie Diskotheken, Alkohol, Drogen, durchgefeierte Nächte. Das zeigt sich auch im Film: Viele, die sich später Al-Shabaab anschließen, haben zuvor ein Leben zwischen Exzess und Verzweiflung geführt.

Und auf noch einen Umstand verweist Jespersen: Viele Somalier fühlen sich in der westlichen Gesellschaft nicht willkommen. Dass sie etwa allein wegen ihres Aussehens viel öfters von der Polizei kontrolliert werden, empfinden sie als erniedrigend.

Ohne den Zeigefinger zu heben, geht dieser Film der Frage nach, was diese jungen Männer antreibt, dass sie sich derart radikalisieren. "Zudem wollten wir die Rolle unserer Gesellschaft in diesem Prozess hinterfragen", erklärt Jespersen. Wir wüssten viel zu wenig, was es bedeutet, einer Minderheit anzugehören, sich an den Rand gestellt zu fühlen - keine Gemeinschaft ist in Dänemark so stark von Schulabbruch und Arbeitslosigkeit betroffen wie die somalische.

Es wäre einfach gewesen, die jungen Terroristen als reine Monster darzustellen, sagt Jespersen. Stattdessen versucht die Dokumentation - ohne die Monstrosität und Grausamkeit ihrer Taten zu relativieren - ihre Beweggründe nachzuvollziehen. Denn Jespersen ist überzeugt: Es bringt nichts, diese jungen Menschen nur als Feinde zu betrachten. "Wenn wir nicht versuchen, sie zu verstehen, wird unser Kampf gegen Radikalisierung nirgendwohin führen."

Der Film "Warriors from the North" wird heute Donnerstag, den 10. Oktober, im Rahmen des Festivals "this human world" im Schikaneder-Kino gezeigt . Im Anschluss an den Film findet eine Podiumsdiskussion mit Regisseur Soren Steen Jespersen statt.

www.thishumanworld.com