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Junge Musikszene für Corbyn

Von WZ-Korrespondent Peter Stäuber

Politik
"Endlich jemand, der menschlich ist", sagt der Rapper Jme über Corbyn. Politisch war die Grime-Szene schon immer. Neu ist, dass die Bewegung "Grime4Corbyn" eine einzelne Person unterstützt.
© Screenshot

Die Londoner Grime-Szene macht Wahlkampf für den Labour-Chef.


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London. (ce) Die Labour-Partei feiert derzeit ein Hoch. Lag sie Mitte April, als Premierministerin Theresa May Neuwahlen ankündigte, laut Umfragen noch rund 20 Prozent hinter den Konservativen, ist deren Vorsprung seither stark geschrumpft - auf bis zu fünf Prozent.

Zu einem guten Teil ist der Erfolg Labours der Unterstützung jüngerer Wähler zu verdanken: Laut einer Umfrage für die "Sunday Times" vom Wochenende würden knapp 70 Prozent der 18- bis 24-Jährigen für die Sozialdemokraten stimmen und nur 12 Prozent für die Konservativen. Allerdings ist diese Altersgruppe weit weniger gewissenhaft, wenn es darum geht, am 8. Juni ins Wahllokal zu gehen: Nur 57 Prozent sind sich sicher, dass sie von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen werden, während es bei den über 60-Jährigen 75 Prozent sind.

Für den Ausgang der Wahl wird deshalb entscheidend sein, wie viele der jungen Briten sich an ihr beteiligen. Labour-Chef Jeremy Corbyn ist sich dessen bewusst. Und so hat er in den vergangenen Wochen versucht, junge Wähler für seine Partei zu begeistern, nicht zuletzt über den Kontakt zu einer der bekanntesten britischen Musikszenen: Grime.

Corbyns Draht zur Szene

Dieser Musikstil, der Elemente elektronischer Musik, Jungle und Hip-Hop verbindet, entstand in den frühen 2000er Jahren in den Gemeindesiedlungen Londons. Viele Grime-Musiker sind Briten afro-karibischer Herkunft. Ihre Songs haben zuweilen einen explizit politischen Inhalt: Sie erzählen von rassistischer Diskriminierung, Armut und den schwierigen Lebensumständen der urbanen Arbeiterschicht. Von der offiziellen Politik fühlen sie sich vernachlässigt. Das Verhältnis zur Labour-Partei ist von Misstrauen geprägt, besonders seit dem Irak-Krieg, den ethnische Minderheiten besonders stark ablehnten.

Jeremy Corbyn hingegen, der nicht nur einer der vehementesten Gegner der Invasion von 2003 war, sondern auch drei Jahrzehnte lang Basisbewegungen und Bürgerkampagnen in den Mittelpunkt seiner politischen Aktivitäten gestellt hat, vermag diese jungen Leuten viel direkter anzusprechen.

Eine ganze Reihe von Grime-Künstlern hat ihm denn auch seine Unterstützung zugesagt: Die Londoner Musiker AJ Tracey, JME und Novelist haben für Corbyn Partei ergriffen, und der 23-jährige Stormzy, dessen Album Gang Signs & Prayer vor wenigen Monaten als erste Grime-Platte auf den ersten Platz in den Charts kletterte, sagte im Mai letzten Jahres: "Darum mag ich Jeremy: Ich habe das Gefühl, dass er versteht, was ethnische Minderheiten, Obdachlose und die working class durchmachen."

Protestsong gegen May

Ähnlich drückte sich der 32-jährige JME aus, als er kürzlich ein längeres Gespräch mit dem Labour-Chef hatte: Er habe noch nie in seinem Leben abgestimmt, aber in Corbyn sehe er endlich jemanden, "dem wir vielleicht vertrauen können, der menschlich ist." Grime-Musiker und -Fans haben sogar eine eigene Kampagne gegründet, Grime4Corbyn, die dem 68-jährigen Labour-Chef am 8. Juni zum Sieg verhelfen will.

Auch andere Promis aus der britischen Kulturszene haben sich für Labour ausgesprochen, darunter die Musik-Legenden Brian Eno und Paul Weller, Schauspieler wie Daniel Radcliffe und Patrick Stewart, und Komiker wie Russell Brand und Eddie Izzard.

Demgegenüber müssen sich die Konservativen mit einer weit kürzeren - und weniger illustren - Liste von prominenten Fans zufriedengeben. Immerhin können sie auf die Stimme des Musical-Komponisten Andrew Lloyd Webber (Jesus Christ Superstar) und des Ex-Take-That-Sängers Gary Barlow zählen. Die Charts erobert aber derzeit ein Protestsong gegen May: "Liar, Liar GE2017" von der britischen Band Captain Ska beschimpft die 60 Jahre alte Konservative als Lügnerin.