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Der ohnehin kümmerliche militärische Arm der EU hat Akzeptanzprobleme.
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Wien/Brüssel. Was lange währt, wird deshalb noch lange nicht gut. Diese bittere Erkenntnis trifft auch auf die EU-Battlegroups zu, die seit 2005 als schnelle Krisen-Eingreiftruppe der Europäischen Union politische Glaubwürdigkeit und militärische Schlagkraft verleihen sollen.
Sollten. Denn in der Realität erweisen sich die Kampftruppen als reine Papiertiger, die zudem einen enormen Planungs- und Koordinierungsaufwand - und damit Kosten - für die Truppensteller bedeuten, jedoch noch nie zum Einsatz gekommen sind. Kein Wunder, dass sich nun in einzelnen Staaten Widerstand regt, Soldaten für diesen Dienst abzustellen. Diesbezüglicher Unwille wird insbesondere aus den nordischen Ländern berichtet. Für das erste Halbjahr 2012 gibt es noch überhaupt keine Truppensteller.
Toller Plan . . .
Seit Anfang 2007 werden je zwei Battlegroups pro Halbjahr "allzeit bereit" gehalten, um schnell - nach einer politischen Entscheidung -auch militärisch auf Konflikte und Krisen reagieren zu können. Die Truppen - im Wesentlichen ein Infanterieverband in Bataillonsstärke im Gesamtumfang von 1500 Soldaten - werden in multinationaler Kooperation gestellt. Das nächste Mal ist Österreich im zweiten Halbjahr 2012 an der Reihe - gemeinsam mit Deutschland, Kroatien, Tschechien und Mazedonien.
Soweit die schöne Theorie. In der grauen Realität verfügt die EU zwar auf dem Papier über beeindruckende 1,8 Millionen Soldaten, erweist sich aber als unfähig, mehr als 50.000 Mann ins Feld zu schicken. Es mangelt an Infrastruktur und Gerät für moderne Einsätze, die High-Tech und ein Höchstmaß an Mobilität über große Distanzen erfordern.
. . . traurige Praxis
Gleichzeitig gehen in Europa die Militärbudgets massiv nach unten, sodass kein Geld für eine dringend notwendige Modernisierung vorhanden ist. Vor einiger Zeit scheiterte die EU etwa an der verhältnismäßig simplen Aufgabe, einen Flughafen im Südsudan zu sichern. Statt auf europäische Soldaten greift deshalb die UNO längst auf Drittweltstaaten als Truppensteller für gefährliche Missionen zurück. Derzeit versuchen etwa afrikanische Blauhelme, im Bürgerkriegsland Somalia für den Schutz von Zivilisten zu sorgen - unter erheblichem eigenen Blutzoll. Das Geld dafür kommt aus Europa. Nicht wenige sehen das als Modell für die Zukunft.
Sind die Battlegroups also mangels Einsätzen eine Totgeburt? Daran will zumindest Heinz Gärtner, Sicherheitsexperte am Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP), nicht glauben: "Jetzt sind Battlegroups nur für Kampfeinsätze und damit für alles oder nichts zuständig. Angesichts dieser Optionen entscheiden sich die Staaten lieber für nichts und verzichten auf Einsätze." Bei Fragen über Leben oder Tod eigener Soldaten scheuen Staaten noch mehr vor einem Souveränitätsverlust zurück als ohnehin sonst schon, so Gärtner.
Pragmatische Reform
Deshalb plädiert er für einen neuen Fokus der schnellen EU-Eingreiftruppe: weg von Kampfeinsätzen, hin zur Konzentration auf Katastrophenhilfe, die Sicherung von Versorgungsinfrastruktur bei humanitären Notlagen und Ähnlichem mehr. Bei solchen, niedriger angesetzten Aufgaben hätte, so das Kalkül Gärtners, auch kein Staat etwas gegen den Einsatzbefehl für die EU-Battlegroups.
Gärtner selbst würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und Kampfeinsätze gleich völlig aus dem Anforderungsprofil der schnellen EU-Eingreiftruppe streichen. Seine Erklärung: Die Verantwortung für den Tod von Soldaten werde immer von der jeweiligen Innenpolitik eines Landes wahrgenommen werden müssen, will man daher das Instrument der Battlegroups als solches mit Leben erfüllen und deren Potenzial für eine weitergehende sicherheitspolitische Integration Europas nutzen, müsse der Fokus radikaler an diese Tatsache angepasst werden.
Ein solcher radikaler Schritt ist, das weiß Gärtner selbst, politisch in Europa nicht mehrheitsfähig. Um dennoch die Battlegroup-Idee am Leben zu erhalten, haben kürzlich die EU-Außen- und Verteidigungsminister pragmatischere Reformideen beschlossen. So soll die Einsatzbereitschaft von sechs auf zwölf Monate verlängert, künftig eine Battlegroup immer von den gleichen Partnerstaaten bereitgestellt und schließlich auch die Einsatzfähigkeit reduziert werden.
Ob das ausreicht, wird sich erst zeigen. Dazu müsste die EU-Truppe erst einmal den Einsatzbefehl erhalten.