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Jüngster Präsident - kürzeste Amtszeit

Von Rainer Mayerhofer

Europaarchiv

Christian Wulff (52) war nicht einmal 20 Monate lang im Amt.


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Berlin. Christian Wulffs Präsidentschaft weist gleich zwei Rekorde auf. Er war der jüngste der bisherigen zehn deutschen Bundespräsidenten - am Tag seiner Wahl am 30. Juni 2010 zählte er gerade einmal 51 Jahre und elf Tage - und mit 19 Monaten und 17 Tagen ist seine Amtszeit auch die bisher kürzeste in der Geschichte der Bundesrepublik.

Die Koalition aus Unionsparteien und FDP hatte den am 19. Juni 1959 in Osnabrück geborenen Wulff, der immer wieder als möglicher Nachfolger für Kanzlerin Angela Merkel genannt wurde, erst im dritten Wahlgang mit 625 Stimmen als Nachfolger für den am 31. Mai 2010 zurückgetretenen Horst Köhler durchgesetzt. Gegen Wulff war der von SPD und Grünen unterstützte Joachim Gauck angetreten, der eine Volkswahl nach damaligen Umfragen klar gewonnen hätte.

Schwierige Jugend

Aber Wulff, der in schwierigen, von katholischem Konservativismus geprägten Familienverhältnissen aufgewachsen ist, war es gewohnt, um seine Position zu kämpfen. Seine Eltern hatten sich getrennt, als er zwei Jahre alt war. Auch die zweite Ehe seiner Mutter scheiterte und als 16-Jähriger musste sich Wulff um seine an multipler Sklerose erkrankte Mutter und eine jüngere Stiefschwester kümmern.

Bereits 1975 war er in die CDU eingetreten und hatte sich in der Schüler-Union engagiert, wo er von 1978 bis 1980 Bundesvorsitzender war. Wulff wird dem sogenannten Andenpakt, einer seit Ende der Siebzigerjahre entstandenen, ursprünglich geheimen Seilschaft von jungen Unionspolitikern zugerechnet, die 2002 die Kanzlerkandidatur von Angela Merkel verhinderte.

An Schröder gescheitert

Seit 1985 gehörte er dem Landesvorstand der CDU in Niedersachsen an. 1994 wurde er Landesvorsitzender und scheiterte zweimal - 1994 und 1998 - im Duell mit Gerhard Schröder - bei seinem Versuch, Ministerpräsident in Niedersachsen zu werden. Erst bei der Landtagswahl im Jahr 2003 schaffte er es im dritten Anlauf, an der Spitze einer CDU-FDP-Koalition Landeschef zu werden und den damaligen SPD-Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel auf die Oppositionsbank zu verdrängen.

Als Oppositionsführer im niedersächsischen Landtag forderte er 1999 den damaligen Ministerpräsidenten Gerhard Glogowski wegen einer Sponsoringaffäre zum Rücktritt auf und ein Jahr später zählte er zu den schärfsten Kritikern des damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau, der wegen von der Landesbank West-LB gesponserten Freiflügen während seiner Amtszeit als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen in Bedrängnis geraten war. Auch Rau wurde von Wulff zum Rücktritt aufgefordert.

In seiner Amtszeit als niedersächsischer Ministerpräsident setzte Wulff eine rigorose Sparpolitik durch, die auch vor empfindlichen sozialen Einschnitten nicht haltmachte und von Law-and-Order-Politik gekennzeichnet war. Wulff galt auch als Befürworter einer Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke.

2006 trennte er sich von seiner Frau Christiane, mit der er seit 1988 verheiratet war und eine Tochter hatte. Wulff heiratete 2008 die 1973 geborene Medienreferentin Bettina Körner, die aus einer früheren Beziehung einen Sohn mit in die Ehe brachte. Im gleichen Jahr wurde dem neuen Ehepaar Wulff noch ein Sohn geboren.

Rede zum Islam

Sein erstes Jahr als Bundespräsident verlief ziemlich unspektakulär. In erster Linie blieb Wulffs Stellungnahme zum Islam in Erinnerung, die er in seiner Rede zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2010 machte: "Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland." Damit setzte Wulff ein Zeichen für Integration und Zusammenhalt in der Gesellschaft, was aber nicht bei all seinen Parteifreunden gut ankam.

In sonstigen politischen Fragen zeigte Wulff während seiner kurzen Amtszeit große Zurückhaltung. In der immer dramatischer werdenden Euro-Krise wurde der Bundespräsident kaum wahrgenommen. Seine privaten Probleme überdeckten immer mehr seine Amtsführung, als im Dezember 2011 Berichte über die Finanzierung seines Privathauses an die Öffentlichkeit kamen und später peinliche Interventionen Wulffs bei der "Bild-Zeitung" bekannt wurden.