Der billige Sprit lässt die Autonachfrage in den USA boomen wie noch nie - Hersteller rücken bei der Detroit Auto Show leistungsstarke Geländewagen und Pick-ups ins Rampenlicht.
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Detroit. Die PS-Branche zeigt auf der traditionsreichen US-Autoschau in Detroit heuer einen schwungvollen Salto rückwärts: Nachdem vor kurzem auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas noch die vernetzte Zukunft des Autos angepriesen wurde und von Robotern gesteuerte Wagen auf den Straßen rollten, kehren General Motors, Ford & Co. jetzt in der rund 3000 Kilometer entfernten Autostadt Detroit zu ihren Wurzeln zurück: Dort schieben auch die deutschen, japanischen und koreanischen Hersteller vor allem große Gelände-SUVs, leistungsstarke Sportwagen und die in den USA besonders beliebten Pick-ups ins Scheinwerferlicht ihrer Messestände. Elektroautos stehen im Schatten - wenn der Liter Sprit um knapp 50 Cent zu haben ist, denkt derzeit kaum jemand ans Umsteigen auf alternative Antriebe.
"Detroit feiert die Rückkehr der Dinosaurier - Jurassic Park reloaded", meint Helmut Becker gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Der frühere Chefvolkswirt von BMW warnt, die Hersteller würden aufs falsche Pferd setzen, sollten sie sich darauf verlassen, dass die Benzinpreise dauerhaft niedrig bleiben. "Die entscheidende Frage ist, wie lange der Fracking-Boom anhält", mahnt Becker, der das Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation in München leitet. Denn sollte der Ölpreis längere Zeit unter 50 Dollar je Fass notieren, könnte dies das Aus für viele amerikanische Förderfirmen bedeuten, die Öl mit aufwendigen Verfahren aus Schiefergestein gewinnen. Die Spritpreise dürften dann wieder steigen.
US-Automarkt wird heuer auf 17 Millionen Stück wachsen
Diese Aussicht trübt die Freude der Automanager über zuletzt kräftig gestiegene Absatzzahlen vor allem bei den großen und profitträchtigen Wagen kaum. "Es gibt eine Reihe von Gründen, die auf den Ständen der Detroit Motorshow für lachende Gesichter sorgen", sagt der deutsche Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Der Leiter des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen rechnet heuer mit einem weiteren Plus der Verkaufszahlen auf 17,1 Millionen Fahrzeuge, nachdem der Absatz schon 2014 um sechs Prozent auf 16,5 Millionen Stück gestiegen war. So hoch war die Auto-Nachfrage in den USA zuletzt vor fast fünfzehn Jahren. Für 2016 prognostiziert Dudenhöffer sogar 17,45 Millionen - damit würden so viele Autos zwischen Maine, Texas und Kalifornien verkauft wie noch nie.
USA sind wieder Lokomotive für den Weltmarkt
Auch in den Folgejahren soll der Absatz klettern. Die Krise, in der die Opel-Mutter General Motors und die inzwischen zu Fiat gehörende Marke Chrysler vor einigen Jahren vom US-Staat vor dem Ruin gerettet werden mussten, ist abgehakt. Und während das Wachstum in China, dem weltgrößten Automarkt, schwächer wird, übernehmen die USA dank niedriger Zinsen und billigen Öls wieder die Rolle einer Lokomotive für die Automobilindustrie.
"Der Optimismus in den USA war schon lange nicht mehr so groß wie Anfang 2015", fasst Dudenhöffer zusammen. Von dieser Welle wollen sich auch die deutschen Hersteller tragen lassen und setzen dabei auch auf den Trend zu großen SUVs, Pritschenwagen und sportlichen Fahrzeugen. Audi stellt den neuen Q7 in Detroit vor, BMW seine neue 6er Serie und Mercedes-Benz das wuchtige GLE-Coupé. Der Wagen spielt übrigens tatsächlich in Steven Spielbergs Anfang Juni in die Kinos kommenden Fortsetzung der "Jurassic Park"-Film-Trilogie eine ähnlich tragende Rolle wie der erste Mercedes-ML-SUV im Originalfilm vor 22 Jahren - diesmal in 3D, wie Daimler in einer Aussendung erklärte.
Knappes Rennen um die Nummer 1 der Branche
Auch VW setzt auf die SUV-Karte und will so endlich aus der Nischenrolle in Nordamerika herauskommen. In Detroit wird die Studie eines speziell für den US-Markt entwickelten sportlichen Geländewagens präsentiert, der bereits bei früheren Messen gezeigte Siebensitzer Cross-Blue soll schon 2016 im VW-Werk in Chattanooga vom Band rollen.
Mit der SUV-Offensive wollen die Wolfsburger beim Aufstieg zum weltgrößten Autobauer ihre Verkaufsschwäche der Kernmarke in den USA überwinden. Konzernchef Martin Winterkorn verkündete im Vorfeld der American International Auto Show (bis 25. Januar) immerhin stolz, dass sein Konzern 2014 erstmals mehr als 10 Millionen Autos weltweit verkauft hat - vier Jahre vor dem eigenen Plan und vermutlich mindestens gleichauf mit Toyota und General Motors.
In der einstigen Millionenmetropole Detroit, die in der Finanzkrise zur Geisterstadt verkam und ein Symbol für den zeitweisen Niedergang der US-Autoindustrie wurde, müssen die Konzernchefs erklären, wie sie heute das Geld für die teuren Technologien von morgen verdienen wollen - vor allem die ab 2025 in den USA geplanten strengeren Limits für den Flottenverbrauch machen Sorgen. Und ein Blick auf die weltweite Konjunktur zeigt Risken: Wichtige Automärkte wie Deutschland oder Brasilien dürften sich eher nur im Schneckentempo erholen. In Russland weiß niemand, wie sehr der Konflikt zwischen Moskau und dem Westen die Wirtschaft im größten Flächenstaat der Erde noch ausbremst. Insgesamt könnte der Weltmarkt nach Zahlen der Berater von KPMG 2015 nur um rund drei Prozent wachsen.
Wer kräftiger zulegen will, muss der Konkurrenz Kunden abjagen - und vor allem in China sowie den USA gut aufgestellt sein. Die beiden weltgrößten Märkte dürften heuer fast drei Viertel des gesamten Wachstums beisteuern. Gemeinsam stehen die beiden größten Wirtschaftsnationen für fast die Hälfte aller weltweit verkauften Autos.
Premium-Marken und Pick-ups legen am meisten zu
In den USA läuft es vor allem für die deutschen Premiumhersteller rund: Daimler, BMW, Porsche und Audi blicken auf ein erfolgreiches Jahr zurück. Zusammen verkauften sie 925.000 Neuwagen in den USA und steigerten ihren Marktanteil von 5,4 auf 5,6 Prozent. Dudenhöffer ist überzeugt, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird: "Die Premiumhersteller gewinnen auch im Jahr 2015 in den USA Marktanteile und Verkäufe." Die Experten des Onlineportals TrueCar erwarten ein Plus bei den Premiummarken von gut zehn Prozent, fast vier Mal so hoch wie das des Gesamtmarktes.
Die größten Sprünge aber traut TrueCar-Chef John Krafcik auch heuer den Pick-Ups von Ford, GM und der Fiat-Chrysler Tochter Ram zu. Fords F 150 wurde in Detroit gerade zum "Truck of the Year" gewählt, er war auch 2014 wieder das meistverkaufte Automodell im Land, gefolgt von seinen Artgenossen Chevrolet Silverado und Dodge Ram 1500. Erst auf den Plätzen vier und fünf der Statistik kamen die ersten Limousinen: der Toyota Camry und der Honda Accord.