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Juristen könnten US-Wahl entscheiden

Von Alexander U. Mathé aus den USA

Politik

Neue Gesetze und Verleumdungen blockieren den Weg zur Urne.


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Miami/New York. Die US-Präsidentenwahl verspricht eine der knappsten überhaupt zu werden. Nur eine Handvoll Stimmen könnte über Sieg und Niederlage entscheiden - so wie im Jahr 2000, als 537 Stimmen George W. Bush zum Präsidenten machten. Nicht einmal eine Woche vor den diesjährigen Präsidentschaftswahlen konzentriert sich alles auf sechs unentschiedene Staaten: Ohio, Florida, Colorado, New Hampshire, Nevada und Virginia. Hier trennen Präsident Barack Obama und seinen Herausforderer Mitt Romney nur Prozent-Bruchteile.

Mit eine Rolle in dem knappen Rennen werden die neuen strengeren Wahlgesetze spielen, die in vielen Bundesstaaten zum ersten Mal bei einer Präsidentschaftswahl zum Einsatz kommen. Für Österreich nicht ungewöhnlich, sehen sie vor, dass Wähler mit einem Lichtbildausweis zur Urne schreiten. Doch in den USA war es bisher nicht nur möglich, sondern auch üblich, mit einem einfachen Ausweis zur Wahl zu gehen und über einen Abgleich der Unterschrift die Identität zu bestätigen. In den USA besitzen nicht einmal 40 Prozent der Bürger einen Reisepass. Der gängigste staatliche Ausweis mit Foto ist der Führerschein und auch den hat nicht jeder Wähler.

Demokraten beklagen, dass sich die Gesetze vor allem gegen ihre Klientel richten: Minderheiten und alte Menschen, die oft die geforderten Ausweise nicht vorweisen können. Noch dazu brächte "Voter ID", also die neue Regelung, eine Lösung für ein Problem, das es gar nicht gebe, da der Prozentsatz an Wahlbetrug in den USA verschwindend klein ist.

Von Staat zu Staat unterschiedlich gibt es noch zusätzliche Hürden. In Florida etwa wurde der Zeitraum für eine frühe Stimmabgabe reduziert, die es früh entschlossenen Menschen und jenen, die am Tag der Wahl keine Zeit haben, ermöglicht, bereits vorher ihre Stimme abzugeben. Und so fällt im Sunshine State der kommende Sonntag als Wahltag weg. Das trifft vor allem Afroamerikaner, die bisher traditionell am Sonntag vor der Wahl - kirchlich organisiert - nach der Messe kollektiv zur Stimmabgabe schritten.

Bestätigt wurden die Befürchtungen der Demokraten von republikanischer Seite. Mike Turzai, Fraktionschef der Republikaner im Landtag von Pennsylvania, sagte: "Voter ID wird es Gouverneur Romney erlauben, Pennsylvania zu gewinnen und basta."

Aber auch in Bundesstaaten, wo keine rigiden Wahlgesetze herrschen, sehen Wähler ihren Weg zur Urne blockiert. Nichtstaatliche Organisationen gegen Wahlfälschung beantragen, in vermeintlich ausgestorbenen Gegenden dort registrierte Wähler gerichtlich zu streichen. Der Gang vor Gericht ist für viele fälschlicherweise Gesperrte zu mühsam oder zeitlich zu aufwendig. Politiker und Menschenrechtsorganisationen raten Betroffenen, trotzdem wählen zu gehen und ihre Stimme vorbehaltlich einer späteren Prüfung abzugeben. Im Falle eines knappen Ergebnisses könnten sie im Nachhinein die Entscheidung bringen. Tausende Anwälte der Demokraten und Republikaner, dritter Parteien sowie Menschenrechtsorganisationen stehen schon bereit, das Wahlergebnis anzufechten. Zusätzlich zum Streit um unterdrückte Stimmen birgt Wirbelsturm Sandy juristischen Zündstoff. Stromausfälle, geschlossene Wahllokale oder sturmbedingte Hindernisse jeglicher Art könnten noch am Wahltag für Beschwerden und Anfechtungen sorgen. Am Ende könnten Juristen die Wahl entscheiden.