Heute, Freitag, geht der 14. Österreichische Juristentag (ÖJT) zu Ende. Während die Arbeitsgruppen in den Hörsälen im Untergeschoß des Wiener Juridicums noch heftig debattierten, lud die "Wiener Zeitung" den ÖJT-Präsidenten, Rechtsanwalt Gerhard Benn-Ibler, zum Interview.
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Er sei mit dem bisherigen Verlauf des Fachkongresses "sehr zufrieden", erklärte Benn-Ibler. Die Juristen hätten allesamt hervorragende Arbeit geleistet; man stehe in Begriff "wirklich gute Ergebnisse zu erzielen".
Freilich könne und wolle er die endgültigen Resultate nicht vorwegnehmen, einige Tendenzen dürften sich aber bereits jetzt abzeichnen.
Leistungsstörungen: Kaum umfassende Änderung
Im Arbeitskreis Bürgerliches Recht deute alles darauf hin, dass es "eher nicht zu einer umfassenden Änderung des gesamten Leistungsstörungsrechtes kommt". Wahrscheinlicher sei eine bloße Änderung jener Bestimmungen, die die Gewährleistung betreffen.
Im - für Benn-Ibler - diesmal "besonders spannenden" Bereich des Steuerrechts bewege sich die aktuelle Diskussion rund um die steuerrechtlicher Grundprinzipien.
Solle man Steuergerechtigkeit eher nach dem Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit oder aber nach einem dienstleistungsorientierten Prinzip verfolgen, etwa nach dem Schema "wenn ein Steuerpflichtiger vom Staat eine Leistung will, soll er auch dafür eine Gegenleistung bringen."
Steuern müssen von den Zahlern akzeptiert werden
Der Rechtsanwalt wies darauf hin, dass "in einer globalisierten Welt, wo Geldströme nicht mehr kontrolliert werden können", der Frage der Akzeptanz größte Bedeutung zukommt: "Es ist entscheidend, dass der Steuerpflichtige die auf ihn entfallende Last auch akzeptiert." Ansonsten drohten Vermögensverlagerung und Steuerflucht.
An Ökonomen und Juristen appelierte Benn-Ibler zusammenzuarbeiten: "Das Aufstellen von Gegensätzen schadet jedem." Es bestehe ein "unerhört akribischer Arbeitsbedarf" zur Schaffung einer tragfähigen Rechtsordnung, die ein "möglichst schnelles und optimales Agieren in der Wirtschaft ermöglicht". Als Beispiel für dringenden Reformierungsbedarf nannte Benn-Ibler die Gewerbeordnung.
"Erkennt den wahren Stellenwert der Juristen!"
Angesprochen auf seine Aussage in der Begrüßung zum Juristentag ("Die Politik ist überfordert, wenn es darum geht, die europäische Rechtsordnung kritisch zu hinterfragen") unterstrich der Präsident die Bedeutung der Rechtswissenschaft für die Politik: "Die Jurisprudenz muss den Politikern den richtigen Weg weisen." Sie dürfe sich nicht damit begnügen, Gesetze rein technisch auf ihre Stimmigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Vielmehr müssten die Juristen Normen auch auf ihre materielle Richtigkeit kontrollieren. Abschließend Benn-Ibler an die Politik: "Erkennt den wahren Wert der Juristen! Gebt den Juristen in der Gesetzwerdung auch den richtigen Stellenwert!"
Reform des Vorverfahrens im Strafprozess
Der Wiener Uni-Professor und Leiter der Abteilung Strafrecht Manfred Burgstaller meinte gestern in einer Stellungnahme: "Zwischen Staatsanwälten und Polizei einerseits und Staatsanwälten und Richtern andererseits gibt es eine Kernübereinstimmung über ihre jeweiligen Rechte." "An den Rändern" gebe es noch Diskussion. Diese fiel Donnerstag Vormittag bisweilen recht heftig aus. Uni-Professor Helmut Fuchs zeigte sich "schockiert, dass das Ermittlungsverfahren künftig nicht mehr vom Richter eingestellt werden kann". Gutachter Reinhard Moos konterte, der Staatsanwalt habe das Anklagemonopol; ob er das Verfahren einstellt, soll nur er allein entscheiden.