Fall Golowatow: Peter Pilz erhebt schwere Vorwürfe. | Ministerium weist Kritik zurück. | Grüne und FPÖ für Entschuldigung.
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Wien. Was ist vergangenen Freitag wirklich zwischen 0 und 14 Uhr rund um die Affäre Golowatow geschehen? Geht es nach dem grünen Nationalratsabgeordneten Peter Pilz, so hat die österreichische Justiz im Fall des von Litauen international gesuchten früheren KGB-Offiziers Michail Golowatow gemeinsame Sache mit dem russischen Außenministerium gemacht - und den General auf Druck Russlands laufen lassen.
Laut Pilz hat die russische Botschaft in Wien am 15. Juli zu nächtlicher Stunde im Außenamt angerufen und interveniert, woraufhin mehrere höhere Beamte des Justiz- und Innenministeriums buchstäblich "aus dem Bett geklingelt" worden seien, "um zu einer gemeinsamen Linie" zu finden. So sei im Rahmen einer Krisensitzung mit Beamten des Justiz- und Innenministeriums eine "Strategie zur Fluchthilfe ausgearbeitet worden", um sich so "einen diplomatischen Konflikt mit Russland zu ersparen", behauptete Pilz am Donnerstag.
Die österreichischen Behörden hätten demnach den Gesuchten nach seiner Einreise am 14. Juli rein rechtlich bis zu 96 Stunden lang anhalten dürfen. "Stattdessen hat man den Justizbehörden in Litauen nur vier Stunden Frist gewährt, um ihren Haftbefehl zu begründen", erklärte der grüne Sicherheitssprecher. Die kurze Frist, die von den Litauern wie erwartet überzogen wurde, sei nur als Vorwand genutzt worden, um Golowatow sofort enthaften und mit dem nächsten Flieger nach Russland zurückschicken zu können. Anbetracht der Bürokratie ist laut Pilz eines klar gewesen: "Litauen kann das nicht erfüllen."
Darüber hinaus hätte das Justizministerium, so Pilz, Golowatow auch ohne Antwortschreiben aus Vilnius festhalten müssen. Er berief sich dabei auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofes aus 1994, "wonach bei einem schlüssigen ausländischen Haftbefehl eine strenge Verdachtsprüfung nicht vorzunehmen ist". Die Rechtfertigung der Beamten, die Haftgründe seien "zu vage" gewesen, will der Grüne nicht gelten lassen - und kündigte parlamentarische Untersuchungen und im Bedarfsfall rechtliche Schritte an.
Nicht schlüssig genug?
Zweifel an der Argumentationslinie des Justizministeriums meldete auch der Innsbrucker Strafrechtler Klaus Schwaighofer an. Wie er am Donnerstag im ORF-Radio erklärte, sei es "ungewöhnlich, dass die Staatsanwaltschaft sofort die Enthaftung veranlasst hat und nicht das Gericht hat entscheiden lassen". Zudem hätte Österreich Litauen eine Frist von mindestens 48 Stunden geben und Golowatow bei Bedarf gar bis zu 18 Tage lang festhalten können.
Den Vorwurf, man habe Litauen zu wenig Zeit gegeben, will man im Justizministerium nicht gelten lassen. "Für uns war der Haftbefehlgrund, wie es auch in dem von Peter Pilz zitierten OGH-Erkenntnis heißt, eben nicht schlüssig genug", sagte der zuständige Sektionschef Christian Pilnacek am Donnerstag. Im Grunde hätte man Golowatow somit sofort freilassen können. "Wir wollten aber Litauen die Gelegenheit geben, sich präziser zu erklären." Dass es Druck vonseiten Russlands gegeben habe, verneint Pilnacek: "Keiner hat uns beeinflusst, die russische Seite hat ja nur ihre konsularischen Rechte in Anspruch genommen. Es gab auch sicher keine Fluchthilfe."
Anstatt noch mehr Öl ins Feuer zu gießen, haben sich am Donnerstag Grüne und FPÖ für eine friedliche Geste Österreichs gegenüber Litauen ausgesprochen. "Ich denke, dass sich Außenminister Michael Spindelegger entschuldigen sollte", sagte etwa Justizsprecher Albert Steinhauser von den Grünen. FPÖ-Außenpolitiksprecher Johannes Hübner forderte Kanzler Werner Faymann auf, Worte zu finden, "die einer Entschuldigung nahe kommen".