Die Justiz läuft Gefahr zu verlieren, was auch für diese Institution existentiell ist: die Glaubwürdigkeit. Der Spruch des Obersten Gerichtshofs in Sachen ORF-Bänder, sprich: Redaktionsgeheimnis, ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Die Instanzen darunter hätten das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nicht beachtet. Das lässt einen frösteln.
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Zweites Beispiel: Der Tierschützerprozess in Wiener Neustadt, der zur traurigen Posse verkommt. Eine "Undercover"-Agentin, deren Tätigkeit nicht einmal dokumentiert ist, hält alle hin. 63 Prozesstage ohne jede Erkenntnis.
Die beiden Fälle dokumentieren deutlich, dass weite Teile der Justiz nicht nach dem Sinn eines Gesetzes urteilen, sondern sich an Uralttechniken für Prozessverfahren klammern. Die Form ersetzt den Inhalt. Dazu kommt, dass es in vielen Gerichten (außer den Höchstgerichten) eine unübersehbare Neigung von Richtern gibt, der Staatsanwaltschaft zu glauben. Der alte Spruch "Im Zweifel für den Angeklagten" hat sich ins Gegenteil verkehrt. Und in manchen Fällen, das muss leider vermutet werden, wird wohl auch politisches Geschäft über Staatsanwaltschaften erledigt.
Diese Entwicklung ist fatal. Den Gang zum OGH kann sich ein großes Medienunternehmen wie der ORF leisten, kleine Verlage hätten wahrscheinlich aufgegeben. Sie würden solche Verfahren finanziell nicht durchstehen. Wenn nun aber auch eine Zwei-Klassen-Justiz entsteht, dann schaut es mit der Gleichbehandlung der Bürger traurig aus. Dann ist in Österreich ein Stück Demokratie weggebrochen.
Die heimische Justiz wäre gut beraten, die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsentscheidungen wenigstens im Strafrecht zu analysieren. Denn es kann nicht sein, dass Gerichte in ihren Entscheidungen Grundrechte des Rechtsstaates negieren - nur weil die Verfahrenstechnik anderes nahelegt.
Da würde in Österreich ein großes Stück Demokratie wegbrechen, das Vertrauen der Bürger nachhaltig erschüttert. Bezirksgerichte zu schließen oder zu verlegen, ist der Justizministerin nicht möglich, weil nach ihren Worten die Landeshauptleute strikt dagegen sind. Aber sie sollte angesichts dieser beiden Beispiele klar sagen, auf welcher Seite sie steht: Jener der Form oder jener des Inhalts.