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Justiz und Politik

Von Walter Hämmerle

Leitartikel

Die Justiz ist im Visier der Parteien. Nicht nur in Österreich, sondern auch - und viel mehr - in Italien, in Spanien, in den USA und noch in vielen weiteren angeblich westlich-liberalen Ländern.


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Der Grund liegt auf der Hand: In Ländern ohne funktionierende Rücktrittskultur, ohne aufgeklärtes Gefühl für die Regeln des politischen Anstandes, wird die gerichtliche Verurteilung automatisch auch zur höchsten politischen Instanz. Ausnahmen bestätigen allenfalls diese Regel.

Nicht zuletzt deshalb verlagert sich Politik in unserer weitgehend entideologisierten postmodernen Welt immer mehr vor die Gerichte, häufen sich Klagen von Politikern gegen Politiker, werden Anzeigen zum legitimen Mittel des politischen Selbstzwecks. Auf diesen Zug unserer Zeit sind sämtliche Parteien ohne Ausnahme aufgesprungen.

Natürlich ist diese Vergerichtlichung der Politik ein Armutszeugnis. Wem der Geist für politische Ideen fehlt, muss sich eben des biederen Handwerks der Juristerei bedienen.

Dass die Justiz selbst dabei zwischen die Mühlsteine der Parteipolitik gerät, ist nur naheliegend. Wie sollte es auch anders sein bei einem jahrzehntelang vom rot-schwarzen Proporz geprägten Karrieremuster im gesamten öffentlichen Dienst, von dem naturgemäß auch die Dritte Gewalt im Staat nicht ausgenommen war?

Und da es nun vor den Gerichten der Republik um die öffentliche Reputation der Parteien geht, wird die Justiz auch nicht aus dem parteipolitisch motivierten Kreuzfeuer herausfinden. Nicht einmal dann, wenn sie tatsächlich ohne Ansehen von Person und Gesinnung ermittelte. Schließlich stehen am Ende immer Gewinner und Verlierer - und Letztere warten nur auf die nächstbeste Gelegenheit zum Konterangriff auf Gegner und Justiz. Dieses Spiel lässt sich, das zeigt die Geschichte der Zweiten Republik, auf ewig weiterspielen.

Die blau-orangen Seilschaften rund um Jörg Haider und Karl-Heinz Grasser waren nicht die Ersten, die auf Kosten der Republik dubiose Vermögen angehäuft haben. Sie werden leider auch nicht die Letzten gewesen sein. Die Justiz hätte jetzt allerdings die Chance, dafür zu sorgen, dass sich die kommende Generation nicht wieder so sorglos sicher dabei fühlen kann.