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Justizreformen: Abgesagt

Von Matthias G. Bernold

Politik

Wenn sich der Nationalrat am 19. September verabschiedet, werden sich damit wohl auch die - in der Vergangenheit heftig umstrittenen - Reformen des strafprozessualen Vorverfahrens und der Jugendgerichtsbarkeit in Rauch auflösen.


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Wie es aussieht, könnte Udo Jesionek doch nicht als letzter Präsident des Jugendgerichtshofs Wien (JGH) in die Geschichte eingehen. Die geplante und heftigst umstrittene Auflösung des Gerichts in der Rüdengasse in Wien III und die Aufgliederung seiner Agenden auf Landesgericht und Bezirksgerichte dürfte vorerst einmal abgeblasen sein. Zwar bleibt die Auflösung des JGH auf der Tagesordnung des heutigen Ministerrates - dass sich die Entscheidung der Parlamentarier aber vor dem oder am 19. September ausgeht, ist mehr als fraglich.

JGH-Präsident Jesionek war im Telefonat mit der "Wiener Zeitung" begreiflicher Weise gut gelaunt: "Ich hoffe, dass jetzt wieder etwas Normalität einkehrt." Den Optimismus habe er - "auch wenn mir das niemand glaubt" - ohnehin nie verloren. Jetzt schaue es jedenfalls gut aus, dass der Gerichtshof weiter bestehen bleibt. Schadenfreude sei seine Sache nicht, beteuert Jesionek, vielmehr biete sich jetzt ein "gute Gelegenheit, die Jugendgerichtsbarkeit weiter zu diskutieren und vernünftig zu verbessern". "Ich erwarte mir, dass jetzt wieder Experten konsultiert werden, bevor man irgendwelche Beschlüsse fällt", hofft Jesionek, der mit Ende des Jahres in Pension geht, auf einen "besseren politischen Stil" in Zukunft.

Vorverfahren: Alles bleibt vorerst beim Alten

Definitiv gestorben scheint bis auf weiteres die Reform der StPO. Was Justizminister Dieter Böhmdorfer mit Nachdruck vorangetrieben hatte, löst sich nun in Rauch auf. In der Strafrechtsabteilung des Justizministeriums ist man, so erzählt Legist Werner Pleischl, "amüsiert und erschrocken".

Frustriert sei er nicht, beteuert Pleischl, "obwohl es natürlich schon Schade ist". Da die Diskussion um das Reformpapier in der letzten Zeit immer kontroversieller geworden wäre, habe er insgeheim allerdings schon damit gerechnet, dass es sich nicht ausgehen würde. Dass die Reformen geplatzt sind, will Gerald Waiz, Pressesprecher von Justizminister Böhmdorfer nicht bestätigen: Auf Spekulationen oder Kommentare wolle er sich nicht einlassen. Vielmehr gilt die Parole: "Im Ministerium wird weitergearbeitet wie bisher."

Rechtsanwältin Rech: "Das ist sehr bedauerlich"

Elisabeth Rech, Strafrechtsexpertin der Rechtsanwaltskammer bedauert das vorzeitige Ende der StPO-Reform: "Immerhin sind wir schon sehr weit gekommen". Im Oktober hätten die abschließenden Beratungen im Unterausschuss des Nationalrats stattfinden sollen. Jetzt hofft Rech, "dass wir irgendwann später dort fortsetzen können, wo wir heute aufgehört haben".

Stichwort Hoffnung: Legist Pleischl fasst sie in (sarkastische) Worte: "Momentan haben alle andere Sorgen. Aber im November wird es Neuwahlen geben, irgendwann, vielleicht im Jänner, wird ein neuer Justizminister kommen. Und diesem Minister wird eines Tages einfallen, dass es da noch etwas gegeben hat. Eine reformbedürftige StPO nämlich und eine Reformpapier dazu, das - fast fertig - in einer Schublade liegt."