Spitzenbeamte werden zu internen Konflikten und Disput um Ibiza-Video befragt. Eine Analyse.
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Der behördeninterne Streit in der Strafjustiz lässt nicht nach. Das haben zuletzt der Zwist um das Ibiza-Video und die Entmachtung von Sektionschef Christian Pilnacek gezeigt. Diese Woche wird der Konflikt auch den Ibiza-U-Ausschuss beschäftigen. Geladen sind hochrangige Justizvertreter - darunter Pilnacek und Oberstaatsanwälte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Sie werden am Mittwoch und Donnerstag als Auskunftspersonen befragt.
Die internen Querelen schwelen seit Jahren. Differenzen zeigen sich insbesondere zwischen der WKStA auf der einen und der Oberstaatsanwaltschaft Wien als auch Pilnacek auf der anderen Seite. Sie gipfelten im Mai 2019 in einem öffentlich ausgetragenen Machtkampf samt gegenseitigen Anzeigen. Eine darauffolgende Mediation konnte den Disput nicht auflösen, immer noch poppen Konflikte auf. Pilnacek wurde erst kürzlich von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) entmachtet, seine Sektion wird zweigeteilt.
Um den Konflikt zu ergründen, muss ein näherer Blick auf die WKStA geworfen werden. Sie nimmt im Behördenstreit eine zentrale Rolle ein. Ihr Vorläufer war die Korruptionsstaatsanwaltschaft, die 2009 geschaffen wurde. Im Jahr 2011 wurde der Behörde die Zuständigkeit für Wirtschaftsstrafsachen übertragen, die WKStA entstand. Erster Leiter der Korruptionsstaatsanwaltschaft war Walter Geyer, Ex-Grünen-Abgeordneter und Staatsanwalt. Er übergab sein Amt im Dezember 2012 an Ilse-Maria Vrabl-Sanda, die es bis heute innehat.
Zwei Erzählungen
Mehrere Insider berichten, dass die behördeninterne Kooperation in den Anfangsjahren weitgehend friktionslos verlief. Der Betrieb sei unbürokratisch abgelaufen, von Berichtspflichten an die Oberbehörden sei die WKStA weitgehend befreit gewesen. Der rechtliche Hintergrund: Die WKStA ist der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien untergeordnet und an deren Weisungen gebunden, die OStA Wien wiederum ist dem Justizministerium unterstellt.
Doch nahmen die Spannungen über die Jahre zu. Auf der Suche nach den Gründen gibt es zwei höchst unterschiedliche Erzählungen. Variante eins: Die eigenständig agierenden und immer mutiger werdenden Korruptionsjäger seien den Mächtigen zu gefährlich geworden. Daher habe das politisch geführte Justizministerium die WKStA enger an die Kandare genommen und die Arbeit der Behörde strenger überwacht. Schleichend seien Berichtspflichten und formalistische Hürden aufgebaut worden. Die Unabhängigkeit der Korruptionsjäger werde dadurch gefährdet. Das zeige sich auch an den regelmäßigen ÖVP-Attacken gegen die WKStA.
Variante zwei: Zwar stelle sich die WKStA selbst als eine Art Elitebehörde dar, oft seien ihre Ermittlungen aber nur wenig zielgerichtet. Gerade bei medienträchtigen Großverfahren agiere die Behörde zu langsam und manchmal auch stümperhaft. Eine strengere Fachaufsicht sei notwendig, um die Behörde schlagkräftiger und effizienter zu machen.
Bestätigt fühlten sich die Kritiker durch die Razzia beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) im Februar 2018. Die Hausdurchsuchung wurde aufgrund schwammiger Indizien von der WKStA veranlasst und später vom Oberlandesgericht Wien für rechtswidrig erklärt. Der Ruf des BVT bei ausländischen Partnerdiensten ist seitdem zerstört, die Behörde schwer beschädigt.
Debatte um OStA-Weisung
Die verhunzte Razzia wurde vom Justizministerium zum Anlass genommen, die Berichtspflichten massiv auszuweiten. Die WKStA musste die OStA Wien nun im Vorhinein über bedeutende Verfahrensschritte informieren. Zuvor hatten solche Berichte erst im Nachhinein erfolgen müssen.
Bei der WKStA war man darüber nicht erfreut. Die Stimmung steuerte durch weitere Konflikte - etwa um den Eurofighter-Akt - auf den Tiefpunkt zu: Im Mai 2019 zeigten sich Behördenvertreter gegenseitig an, die Verfahren wurden allesamt eingestellt.
Die Ressortspitze war danach um Beruhigung bemüht und führte eine Mediation durch. Eine langfristige Entspannung kehrte aber nicht ein. In der Schredder-Affäre wollte die WKStA Handy und Laptop eines Mitarbeiters von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) beschlagnahmen lassen. Durchgeführt wurde das aber nicht, die WKStA musste das Verfahren nach einer Weisung der OStA Wien an die Staatsanwaltschaft Wien abtreten.
Mangelnde Kooperation zeigte sich rund um die Ibiza-Ermittlungen: Die im Bundeskriminalamt angesiedelte Soko Tape informierte die Staatsanwaltschaft Wien am 22. April über den Fund des Ibiza-Videos. Die Information drang intern in weiterer Folge auch zu Pilnacek durch, nicht aber zur WKStA. Sie erfuhr erst Ende Mai aus den Medien davon.
Pilnacek war bereits zu Jahresbeginn in Kritik geraten, weil er zwei Personen, die in der Causa Casinos als Beschuldigte geführt werden, zu einem persönlichen Gespräch getroffen hatte. Zadic hat den mächtigen Spitzenbeamten Ende Mai degradiert. Seine "Supersektion" Strafrecht wird zweigeteilt: Eine Sektion wird sich künftig mit der Legistik, die andere mit der Fachaufsicht für Strafverfahren befassen.
Die Leitung für die Sektionen wurde bereits ausgeschrieben. Laut einem Bericht der "Presse" gilt es als wahrscheinlich, dass WKStA-Leiterin Vrabl-Sanda sich bewirbt. Andererseits erklärte Zadic auch, sie würde sich freuen, wenn Pilnacek sich für die Legistik-Sektion zur Verfügung stellt. Bei diesen beiden Besetzungen könnte es also durchaus noch spannend werden.
Zeitplan für Video unklar
Unklar ist derzeit auch noch, wann der Untersuchungsausschuss das Ibiza-Video erhalten wird. Am Wochenende wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaften die erste Prüfung des Ibiza-Videos abgeschlossen haben. Einen Zeitplan für die Übermittlung gibt es aber noch nicht. Zadic deutete aber bereits an, dass der Ausschuss nicht das gesamte Video, sondern nur gewisse, "abstrakt relevante" Teile davon bekommen wird.