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Justizzwist in Polen verschärft sich

Politik

Gericht in Warschau kritisiert mangelnde Unabhängigkeit des neuen Landesjustizrats.


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Das Tauziehen um die Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit in Polen geht weiter. Mit einem Urteil des Obersten Gerichts in Warschau ging der Zwist am Dienstag in die Verlängerung. Die Richter verwarfen einen Teil der Justizreformen, mit denen das nationalkonservative Kabinett für Proteste im In- und Ausland gesorgt hat.

Die Vorwürfe an die Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit), die Justiz zu politisieren, beschäftigt auch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) seit Jahren. Schon mehrmals hat er in seinen Urteilen darauf hingewiesen, dass die polnischen Regelungen nicht mit EU-Verträgen konform sind. So musste Warschau etwa das Gesetz zur Zwangspensionierung von Richtern am Obersten Gerichtshof zurücknehmen.

Das Thema geplanter Disziplinarmaßnahmen hat der EuGH hingegen vor wenigen Wochen an den Obersten Gerichtshof zurückverwiesen. Der hat nun massive Bedenken geäußert, ob die neue polnische Disziplinarkammer unabhängig agieren kann.

Das neue Gremium soll dafür zuständig sein, Disziplinarmaßnahmen gegen Richter zu überwachen. Die Mitglieder der Kammer werden vom Landesjustizrat (KRS) ausgewählt, an dessen Unabhängigkeit Skeptiker erhebliche Zweifel haben. Die Richter müssen außerdem noch vom Staatspräsidenten bestätigt werden.

Allerdings biete der KRS "keine ausreichenden Garantien für seine Unabhängigkeit gegenüber Organen der Legislative und der Exekutive", befand das Oberste Gericht. Die in das Gremium berufenen Richter hätten von den Reformen der PiS-Regierung profitiert.

EU-Grundsatz in Gefahr

Die Kammer ist ein Schlüsselelement der von PiS angestrebten Gesetze. Sie kann jeden Richter oder Staatsanwalt entlassen.

Und vom Vorhaben neuer Disziplinarmaßnahmen will die Regierungspartei auch nicht abrücken. Erst vor wenigen Tagen brachten ihre Abgeordneten einen entsprechenden Entwurf im Parlament ein. Dieser sieht vor, dass Richter disziplinarisch belangt werden können, wenn sie "das Dienstverhältnis oder die Gültigkeit der Ernennung eines Richters" infrage stellen. Betroffenen Richtern droht eine Herabstufung oder gar die Entlassung aus dem Dienst. Kurz zuvor hatte die Präsidentin des Obersten Gerichts die Richter der Disziplinarkammer aufgefordert, keine Urteile mehr zu fällen.

Kritiker betonen, dass Polen mit den geplanten Regelungen erneut in Konflikt mit der EU geraten könnte – wenn der für alle Mitglieder geltende Grundsatz, dass EU-Recht über nationalem steht, ausgehebelt würde. Das könnte der Fall sein, wenn die einen Richter auf die Umsetzung von EuGH-Urteilen pochen und die anderen sagen, dass die Sprüche nicht mit der Verfassung vereinbar sind. (czar)