Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Es gibt praktischere Kopfbedeckungen. Im Schneetreiben zum Beispiel ist so eine Krone weder warm noch nässeabweisend. Und etwaige Juwelen kommen bei diffusen Lichtverhältnissen auch herzlich schlecht zur Geltung. Ganz abgesehen von den Gefahren für Leib und Leben, wie sie Elizabeth II. kürzlich enthüllte: "Sie können den Kopf nicht bewegen, sonst fällt sie runter und bricht ihnen das Genick", sagte sie mit weisem Lächeln im leidgeprüften Monarchengesicht.
Glücklicherweise sind die Geschmeide, die den Opernball-Debütantinnen auf den Kopf gesetzt werden, nicht so risikobehaftet. Accessoiretechnisch kann man beim Opernball ja zwei Ären unterscheiden. Bis vor wenigen Jahren lebte man dekorative Bescheidenheit und sprachliche Genauigkeit: Ein Krönchen war ein Krönchen. Aber da herrschte ja auch noch Lotte Tobisch in wallender Adlmüller-Robe. Irgendwann zog der "Zeitgeist" in einer überholperten Quadrille ein und weil es nicht mehr "modisch", sondern "fashionable" sein musste, begann das Zeitalter der Tiara. Nun tragen Debütantinnen laienhaft formuliert einen schlampig aufgesetzten Haarreifen mit Kristallbesatz. Ah, mag der eifrige Juwelo-TV-Konsument jetzt sagen: ein Diadem! Ja, genau, ein Diadem ist nämlich diese Tiara, die im Englischen zwar Tiara heißen mag, im Deutschen jedoch die Papstkrone bezeichnet. Aber das sind Beckmessereien, die im Champagnerdunst wohl so unsichtbar werden wie ein Zitrin im gelben Schnee. Also ganz nach dem so österreichischen wie erbaulichen Motto eines Imbissstandes im 10. Wiener Gemeindebezirk: "Alles Walzer, alles Wurst".