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Juxpartei ist auch in Wien denkbar

Von Brigitte Pechar

Politik
Korruptionsanfälligkeit und Kompetenzverlust der Politik sind für Bachmayer idealer Nährboden für Kleinstparteien.
© © Rainer Gregor Eckharter

Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer sieht Potenzial im urbanen Raum.


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Wien. Noch nie hat sich die Bevölkerung so wenig für Politik interessiert wie jetzt, konstatierte erst vor einer Woche der Imas-Report. Laut Umfrage haben nämlich drei Viertel der Österreicher kein Interesse mehr an Politik. Das wiederum könnte Änderungen in der Parteienlandschaft mit sich bringen. In Berlin hat die Piratenpartei am Sonntag auf Anhieb neun Prozent eingefahren und damit im In- und Ausland für Furore gesorgt.

Verantwortlich für die Politikverdrossenheit macht der Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer, Geschäftsführer von OGM, das Zusammentreffen von zwei Faktoren: Korruptionsanfälligkeit und Kompetenzverlust. In Kombination führe das eben dazu, dass Juxparteien den etablierten Parteien bei der Wahl vorgezogen würden. Die Menschen hätten das Gefühl, dass durch die jüngsten Affären etwas bestätigt wird, was sie immer schon geglaubt haben zu wissen: nämlich, dass Politiker korruptionsanfällig sind. Hinzu kämen das Durcheinander und die scheibchenweisen Lösungsversuche bei der Euro-Krise, was das Vertrauen in die Kompetenz der Politiker schwer angeschlagen habe.

Bachmayer schließt daher, dass vor diesem Hintergrund eine ähnliche Partei wie jene der Piraten in Berlin auch in Wien Erfolg haben könnte.

Seit das Parteiengesetz 1975 in Kraft getreten ist, sind im Innenministerium rund 900 Satzungshinterlegungen erfolgt. Aber um bei einer Wahl zu kandidieren, braucht es nicht unbedingt eine Partei. Es reicht auch eine Namensliste. Einzige Voraussetzung für eine Kandidatur zur Nationalratswahl ist die Vorlage von 2600 Unterstützungsunterschriften. Die einzige inhaltliche Beschränkung erlegt das Verbotsgesetz auf.

Ausreichend Potenzial für eine solche neue Partei sieht Bachmayer vorerst nur in einem urbanen, studentischen Umfeld - also in Wien und Graz. Wenn zum Faktor Jux auch noch andere Motive - etwa gegen das Establishment, Auffrischung der Politiklandschaft oder eine Abkehr von herkömmlichen Strukturen - hinzukommen, könnte eine solche Partei den Einzug in den Gemeinderat schaffen. Am Anfang einer solchen Bewegung reiche ein Thema aus. Bachmayer erinnert in diesem Zusammenhang an die Grünen, die mit Hainburg als "single issue" begonnen hätten. Mittlerweile seien auch die Grünen ein politischer "Vollsortimenter".

Eine junge Partei müsse nicht das Euro-Thema oder Lösungen dazu im Programm haben; eine inhaltliche Kernforderung und Forderungen nach mehr direkter Demokratie und der Entmachtung der Funktionäre reichten schon aus, um in dem sich zunehmend von der Politik abwendenden Pool zu fischen.

Aber nur ein Kasperl zur Wahl wäre auch zu wenig. Das könnte zwar für den raschen Erfolg reichen, aber um bundesweit und dauerhaft Erfolg zu haben, werde auch eine junge Partei den Weg der Etablierten gehen und schlüssige Strategien und Konzepte entwickeln müssen, sagt Bachmayer.