Zum Hauptinhalt springen

Kabuls Fernsehen hat das Gesicht einer 16-Jährigen

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Kabul - Seit dem späten Sonntagnachmittag (Ortszeit) gibt es in Afghanistan wieder Fernsehen. Nach fünf Jahren Sendepause - die Taliban hatten nach ihrem Einzug in Kabul im Jahr 1996 die Bildschirme verdunkelt - können die wenigen Einwohner Kabuls, die ihr TV-Gerät versteckt über die Jahre gebracht haben, wieder täglich ein dreistündiges Informationsprogramm konsumieren. Und wie bei der Wiederaufnahme der Sendungen von Radio Kabul unmittelbar nach dem Einmarsch der Nordallianz in der Hauptstadt, war es auch im Fernsehen eine Frau, die durch das Programm führte: die 16-jährige Maryam Shakebar.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Nur mit einem Kopftuch, ohne Burka erschien Maryam Shakebar auf dem Bildschirm und verlas zuerst einige Koranverse bevor das dreistündige Programm - Musik, Comics und eine Nachrichtensendung mit Interviews mit burkabekleideten Frauen und Mudschaheddin-Milizionären - in den beiden Landessprachen Dari und Paschtu über den Äther ging.

Als die Taliban vor fünf Jahren und zwei Monaten das Fernsehen einstellten, war Maryam Präsentatorin eines Kinderprogramms gewesen.

Nur wenige Kabuler konnten das Programm verfolgen. Schätzungsweise gibt es in Afghanistan insgesamt nur etwa 100.000 TV-Geräte und auch die waren in der Taliban-Ära illegal. Etwa 1.000 Geräte sollen in den letzten Tagen von Händlern, die sie jahrelang in ihren Lagern versteckt hatten, verkauft worden sein.

TV-Empfang gibt es nur in der Hauptstadt selbst. Die Taliban hatten die modernen Einrichtungen zerstört und die Techniker hatten in den letzten fünf Tagen mit alten russischen Anlagen die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der TV-Sendungen geschaffen.

Gemeinsam mit Maryam Shakebar erschien auch die seinerzeitige Staransagerin Lida Azimi auf dem Bildschirm, auch sie nur mit einem weißen Kopftuch und der Präsentator Shamsuddin Hamid mit ostentativ kurzgeschnittenem Bart.

Der ehemalige Fernsehdirektor Oumayan Rawi sprach von einem "großen Tag", an dem das Fernsehen zu den Afghanen zurückgekehrt sei und bat um ausländische Hilfe beim Wiederaufbau des afghanischen Fernsehens. Die erste Ausstrahlung wurde mit einer nur zehn Watt starken Anlage durchgeführt. Lida Azimi, vor den Taliban Nachrichtensprecherin, sagte sei sehr glücklich, ihre Arbeit wieder aufnehmen zu können. Bis dahin sei sie gezwungen gewesen, zuhause zu bleiben.