Ex-Premier möchte Werk des umgekommenen Präsidenten fortsetzen. | Mehr als zwanzig Bewerber. | Warschau. Mit der öffentlichen Bekanntgabe zögerte er bis zuletzt. Als Jaroslaw Kaczynski am Montag verkündete, für die polnische Präsidentenwahl am 20. Juni zu kandidieren, war es der letzte Tag, an dem ein Wahlkomitee registriert werden konnte.
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Der Ex-Premier und Vorsitzende der mittlerweile oppositionellen Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) bewirbt sich damit um ein Amt, das bis vor kurzem sein Zwillingsbruder Lech Kaczynski innehatte, der bei einem Flugzeugabsturz in Russland gemeinsam mit 95 anderen Menschen starb.
Als Pflicht und Mission sieht Jaroslaw Kaczynski seine Kandidatur an. Der Tod "des Präsidenten und der politischen Elite des Landes bedeutet für uns nur eines: Wir müssen ihre Mission zu Ende bringen", schrieb er in seiner Erklärung. Polen sei die gemeinsame Verantwortung. Und Polen sei das Wichtigste.
Für PiS gab es auch politisch betrachtet kaum eine Alternative. Nach dem Tod von Lech Kaczynski, der sich um eine Wiederwahl bewerben wollte, musste sie rasch einen neuen Kandidaten aufstellen, da der Urnengang vorgezogen worden war. Und die Bekanntheit, die Jaroslaw Kaczynski hat, kann kein anderes Parteimitglied übertreffen.
Auch wenn die Fraktion bereits angekündigt hat, keine aggressive Kampagne führen zu wollen, erwarten Beobachter dennoch genügend Emotionen. Es ist möglich, dass Kaczynski im Wahlkampf die Trauer einsetzt, die er sich kurz nach dem Tod seines Bruders in der Öffentlichkeit nicht anmerken ließ.
Konkurrenz für dieRegierungspartei
Auf der anderen Seite galt Kaczynski, der anders als sein Bruder nie geheiratet und bis vor kurzem mit seiner Mutter zusammengewohnt hatte, schon immer als der größere Grübler und Stratege - was ihn aber nicht von heftigen Gefühlsausbrüchen abhielt. Während seiner Zeit als Premier sorgte er sowohl für Koalitionskrisen als auch für Verhandlungsblockaden in der EU.
Wie umstritten der PiS-Politiker auch ist: Für Bronislaw Komorowski, den Kandidaten der regierenden Bürgerplattform (PO) und derzeitigen Favoriten, könnte das bedeuten, dass ihm ein ernst zu nehmender Konkurrent erwächst. Noch liegt PO allerdings in Umfragen voran.
Bei dem Urnengang am 20. Juni, dem möglicherweise eine Stichwahl zwei Wochen später folgt, treten nach Angaben der polnischen Presseagentur PAP 23 Kandidaten an. Darunter finden sich Vizepremier Waldemar Pawlak von der mitregierenden Bauernpartei PSL oder einer der Mitbegründer der PO, Andrzej Olechowski. Dieser hatte die Partei im Vorjahr verlassen. Unter den Bewerbern ist auch ein ehemaliger Koalitionspartner Kaczynskis: Der selbst ernannte Bauernführer Andrzej Lepper.