Bei der Parlamentswahl in Israel vom Dienstag kann die siegreiche Kadima-Partei des amtierenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert vermutlich mit 28 der 120 Sitze im Parlament rechnen. Das sind weniger Mandate als am Abend nach den Exit-Polls prognostiziert worden waren. Die Arbeitspartei erreichte mit 20 Sitzen den zweiten Platz. Der rechtskonservative Likud-Block erhält elf Sitze und war damit der große Verlierer der Wahl. Die Wahlbeteiligung erreichte mit 63,2 Prozent einen historischen Tiefstand.
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Die religiös-orientalischen Shas-Partei ist mit 13 Mandaten Dritte, Likud liegt mit 11 Sitzen noch hinter der rechtsgerichteten Einwandererpartei Israel Beitenu (12 Mandate). Die überraschend starke Pensionistenpartei Gil (Alter) gewann sieben Sitze. Die drei arabischen Parteien kamen zusammen auf zehn Sitze.
Der Erfolg der Kadima fiel damit wesentlich niedriger aus als erwartet. In Umfragen waren ihr im Vorfeld des Urnengangs zwischen 34 und 37 Mandate vorausgesagt worden. Es wird erwartet, dass sie eine Koalition mit der Arbeitspartei bildet. Diese bot sich bereits als Koalitionspartner an. "Wir werden eine neue Gesellschaft errichten, und die Arbeitspartei wird die zentrale Achse der künftigen Regierung sein", sagte Parteichef Amir Peretz in der Nacht zum Mittwoch vor Parteifreunden in Tel Aviv.
Olmert erklärte sich in einer Ansprache vor seinen Anhängern zum Sieger der Wahl. Die Wähler hätten ihm das Mandat erteilt, sich aus Teilen des Westjordanlands zurückzuziehen und die endgültigen Grenzen Israels festzulegen. Dies soll bis 2010 geschehen. Vor einem Porträt des schwer kranken bisherigen Ministerpräsidenten und Kadima-Gründers Ariel Sharon, der nach einem Anfang des Jahres erlittenen Schlaganfall im Koma liegt, sagte Olmert weiter, er wolle neue Friedensgespräche mit den Palästinensern führen und sei auch zu Zugeständnissen bereit. Dazu gehörten die Auflösung jüdischer Siedlungen im Westjordanland und die Zulassung eines eigenen palästinensischen Staates.
"Ich bin bereit, auf den Traum von Groß-Israel zu verzichten. Wir sind bereit, Juden aus den Siedlungen zu evakuieren, um euch den Traum von einem eigenen Staat zu ermöglichen", sagte Olmert an die Adresse der Palästinenser gerichtet. Der Kadima-Chef hatte die Wahl zu einer Abstimmung über die künftigen Grenzen Israels erklärt. Drei Monate nach dem Ende der politischen Ära von Ministerpräsident Ariel Sharon wurde die von ihm gegründete Partei Kadima tatsächlich stärkste politische Kraft.
Israel wolle ein jüdischer Staat mit einer jüdischen Mehrheit bleiben. Man wolle aber auch den Palästinensern die Möglichkeit geben, einen eigenen Staat zu gründen, meinte Olmert. "Es ist an der Zeit, dass die Palästinenser ihre Träume der Wirklichkeit anpassen". Er rief Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas zu neuen Friedensverhandlungen mit Israel auf. Basis seinen die bisherigen Friedensverträge sowie der internationale Nahost-Friedensplan (Road Map).
Olmert betonte, Israel werde "sein Schicksal in die Hand nehmen", sollten die Palästinenser dazu nicht bereit sein. In Übereinstimmung mit anderen Ländern, insbesondere den USA, werde Israel seine Grenzen allein festlegen, sollte eine Friedensregelung unmöglich sein. "Es ist an der Zeit, zu handeln", betonte der 60-Jährige. Vor seiner Ansprache hatte der die Klagemauer in Jerusalems Hauptstadt besucht, die heiligste Stätte für gläubige Juden.
Der palästinensische Ministerpräsident Ismail Haniyeh wies den Plan Olmerts zurück. Haniyeh sagte: "Meine Regierung lehnt jeglichen einseitigen Plan Israels ab." Eine israelische Regierung, die "nicht die legitimen Rechte der Palästinenser anerkennt, einen eigenen Staat einzurichten, kann niemals Frieden oder eine Lösung des Konflikts in der Region erzielen", sagte Haniyeh.