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Kaffee, Schnaps und Turbo-Folk

Von Iga Mazak

Politik
Die beiden Betreiber vor ihrem Café.
© Mazak

Das Café Boem und seine Besitzer setzen auf die Kultur der ex-jugoslawischen Community.


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Wien. Energisch klopft sich Künstler Alexander Nikolic seine staubigen Hände an den Oberschenkeln ab. Die selbst gedrehte Zigarette in seinem Mundwinkel ist schon fast bis auf den Filter abgebrannt - die Asche zentimeterlang. Den ganzen Tag schuftet er schon gemeinsam mit seinem Kollegen Michael Kalivoda in der gemeinsamen Galerie "Boem". Zehn Tage noch, dann ist pünktlich zum 1. Mai und vierjährigem Geburtstag, große Eröffnung der neuen Performancereihe. Konspirativ stemmen die beiden eine Gewichthebebank in die Mitte des Raums.

Man muss schon ein wenig genauer schauen, wenn man sie finden will, die kleine Galerie in der Koppstraße. Hier, mitten in dem Bezirk mit dem zweitgrößten Anteil an ex-jugoslawischer Diaspora, reiht sie sich ein in eine Kette anderer Lokale: Arbeitercafés, gut versteckte Vereinslokale, balkanesische Bäckereien. Tiefstes Arbeitermilieu herrscht in der doppelspurigen Verbindungsstraße durch jenen Teil Ottakrings, der die nördliche Grenze zum 15. Bezirk markiert.

Nikolic selbst ist hier nicht durch Zufall hineingeraten. Schräg gegenüber in einer heruntergekommenen, billigen Künstler-Wohngemeinschaft hat er damals, im Jahr 2010, kurz vor der Gründung des "Vereins Boem" gelebt. Als der Besitzer wechselte, führte schließlich eines zum anderen. Mit den Mitbewohnern der Koppstraßen-WG Michael Kalivoda und Martin Hollerweger war der Verein Boem geboren, der neben dem Eckcafé auch die 106 Quadratmeter großen Lagerräume umfasste, die heutige Galerie.

"Wir wollten alles so belassen, wie es ist", sagt Nikolic. "Mit allem, was ein klassisches Arbeitercafé eben ausmacht." So ist es ein ein Ort geworden, der um sechs Uhr in der Früh aufsperrt, der günstigen Kaffee anbietet, Zeitungen und Schnaps aus Ex-Jugoslawien ausschenkt und auch eine Bedienung hat, die Serbokroatisch spricht und nichts dagegen hat, wenn man sein Essen selber mitbringt. Und fast am wichtigsten: Balkanmusik. Eine Juke-Box, die jugoslawischen Turbo-Folk bereithielt, erbten die Neubesitzer noch aus den 1990er Jahren.

Arm und besoffen

Ursprungsbelassen auch die Namensgebung. Lange bevor die Künstler das Zepter übernahmen, gewann ein Gast in einem nächtlichen Besäufnis das Privileg sein Stammbeisl zu benennen. Er taufte es "Boem" - serbokroatisch für Bohème, die unterprivilegierten, anti-bürgerlichen Intellektuellen des 19. Jahrhunderts, deren gemeinsamer, öffentlicher Bezugspunkt die Cafés der europäischen Großstädte zum Blühen brachte. Und die Armut war ihr ständiger Begleiter.

Nach anfänglichen Rund-um-die-Uhr-Schichten zwischen Café, Galeriebetrieb und Künstlerdasein standen die drei Gründer jedoch kurz vor dem Burn-out. "Zudem haben wir recht bald gemerkt, dass hinter die Bar eines solchen Cafés eine Frau gehört", schmunzelt Kalivoda. "Mit ihr funktioniert so ein Herrencafé einfach harmonischer." Kurzerhand werden Kellnerinnen engagiert und die Künstler können sich dem Nebenprojekt nun in Vollzeit widmen: der hauseigenen Galerie.

"Wir haben uns hier in ein jahrzehntelang bestens bestehendes Biotop hineingesetzt", erklärt Nikolics Kollege Kalivoda und verweist damit auf die Tradition der Wiener Arbeiterklubs. Diese fungierten als Treffpunkte der jugoslawischen Arbeiterschicht während der großen Migrationswellen ab 1966. Nach deren Höhepunkt Mitte der 1970er Jahre, zerfiel die Tradition und die Clubs etablierten sich in rund 600 kleineren Cafés in klassischen Migrantenbezirken.

Eben jene Verschränkung von Kultur, Geschichte und Zeitzeugenpolitik soll fortan auch das Kuratorium der Galerie widerspiegeln. Auch die bevorstehende Performancereihe will progressiv sein und sich aus den Interaktionen mit den Gästen des Cafés und der Galerie herausentwickeln. Männerbündnisse, Homophobie und Gender sind die Themen der bunten Performancereihe: "Putinriot and the asses of evil - the zoki horror picture show" steht vom 1. Mai bis 9. Mai auf dem Programm.

Cafe Boem