Hierzulande finden sich tausend gute Gründe für die große Koalition. Deshalb zur Abwechslung ein paar vernünftige Argumente dagegen.
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Österreich und Deutschland werden ja nicht nur von der gemeinsamen Sprache getrennt, sondern demnächst womöglich auch von der gemeinsamen Regierungsform. Doch während hierzulande eine Zusammenarbeit von SPÖ und ÖVP als Ausdruck höchster politischer Stabilität und Gewährleistung wahrhaftiger demokratischer Teilhabe verstanden wird, gilt bei unseren Nachbarn die große Koalition gemeinhin als größtes anzunehmendes politisches Unglück. Entsprechend kommt diese Variante auch nur dann zu Ehren, wenn andere Alternativen nicht zur Verfügung stehen.
Über die Nachteile kleiner Koalitionen liest man hierzulande beinahe täglich; ihre rechte Variante wird gerne als Wiederkehr des Faschismus blumig umschrieben, während ihre linke Spielart mit Vorliebe als Startschuss für Sodom und Gomorra unter besonderer Berücksichtigung des freien Drogenhandels erträumt wird. Von den Übeln der großen Koalition liest man dagegen nur selten. Deshalb an dieser Stelle eine kleine Auflistung ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Erstens, große Koalitionen schaden der Demokratie. Das ergibt sich schon allein aufgrund ihrer physikalischen Dynamik: Wenn die beiden Großen in der Mitte sich zusammentun, dann erstarken fast automatisch die Ränder des politischen Spektrums. Die integrative Macht der Mitte wird auf diese Weise durch eine Stärkung der Fliehkräfte konterkariert. In einer Gesellschaft, die sich den Ausgleich widerstreitender Interessen zum Ziel setzt, kann dies nicht der Weisheit letzter Schluss sein.
Zweitens, große Koalitionen schaden dem Parlamentarismus. Zum einen, indem die Opposition schon rein zahlenmäßig marginalisiert ist, wenn die beiden Großen gemeinsam regieren, was natürlich nicht ohne Folgen für die Kontrollmöglichkeiten des Parlaments bleibt. Zum anderen, weil in großen Koalitionen die Notwendigkeit minimiert ist, dritte Parteien ins Boot zu holen, etwa für die Sicherstellung von Verfassungsmehrheiten (dieser Punkt hat sich in Österreich allerdings schon von selbst gelöst, indem SPÖ und ÖVP derzeit schon glücklich sind, wenn sie noch einmal die 50-Prozent-Marke überspringen).
Drittens, große Koalitionen schwächen die Regierung. Das klingt auf den ersten Blick vielleicht etwas widersinnig, lässt sich aber durchaus argumentieren. Weil nämlich in einer großen Koalition die Sozialpartner in entscheidenden Bereichen - Arbeitsmarkt, Gesundheit, Soziales, Pensionen - das erste und letzte Wort haben.
Viertens, große Koalitionen blockieren große Reformen. Von der Illusion "große Mehrheiten für große Probleme" hat sich mittlerweile wohl das Gros der Bürger verabschiedet, die letzte Herausforderung dieser Kategorie war die Vorbereitung des EU-Beitritts Österreichs. Seitdem regieren SPÖ und ÖVP mit Reformkraft im Konjunktiv: theoretisch Kaiser der Republik, praktisch Duodez-Fürsten des kleinsten gemeinsamen Nenners. Gar nicht einmal so sehr, weil sie schlechten Willens wären. Sie können nicht wollen, weil es der tieferen Logik widerspricht, die dieses System antreibt.