Zum Hauptinhalt springen

"Kaiserin Biljana" zeigt sich über Anklage schockiert

Von Breda Ozim

Politik

Belgrad - Die frühere bosnisch-serbische Präsidentin Biljana Plavsic befindet sich seit Mittwoch als erste wegen der Kriegsverbrechen auf dem Balkan angeklagte Frau im Gefängnis des UNO-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag. Ihr werden Völkermord, Verbrechen gegen Menschheit, Verletzung von Kriegsgesetzen und Genfer Konventionen angelastet.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Plavsic sei über die Anklage geschockt und verwirrt gewesen, beschrieb Anwalt Krstan Simic für den Belgrader Sender ''B-92'' ihre Reaktion auf die Anklage. Sie sei sich jedoch der Tatsache bewusst, dass sie zur bosnisch-serbischen Führung gehört habe, sagte der Anwalt.

Zur Führung der Serbischen Demokratenpartei (SDS) gehörte die promovierte Biologin, geboren 1930 in Tuzla, gleich von deren Gründung 1990 an. Bei den ersten freien Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Bosnien 1990 wurde sie zusammen mit Nikola Koljevic, einem weiteren späteren Vizepräsidenten der Serbischen Republik, in das Bosnien-Präsidium gewählt. Unmittelbar nach dem Kriegsbeginn im April 1992 gab sie ihr Amt in Sarajewo auf und zog nach Pale um, wo SDS-Chef Parteichef Radovan Karadzic sein Hauptquartier als Präsident der bosnischen Serben einrichtete.

Plavsic präsentierte sich in den frühen neunziger Jahren als unnachgiebige Nationalistin. Während der Kriegsjahre widmete sie sich vor allem Front- und Krankenhausbesuchen gewidmet. Von ihren Landsleuten erhielt sie die Beinamen "Kaiserin Biljana" und "Prinzessin". Ihr Credo soll damals gelautet haben: "Weder knien noch liegen - wer einmal in die Knie geht, wird bald auch liegen".

Später, nach dem Krieg, bestritt Plavsic, offene Anhängerin der "ethnischen Säuberung" gewesen zu sein. Auch ihre Worte, wonach sie sich ein Zusammenleben mit Kroaten und Moslems nicht mehr vorstellen könne, seien falsch interpretiert worden.

Der Kuss, welchen sie dem serbischen Milizenführer Zeljko Raznatovic Arkan bei einem Besuch in der ostbosnischen Stadt Bijeljina kurz vor dem Kriegsbeginn 1992 gegeben hatte, wurde ihr häufig als bester Beweis für ihre Verwicklung in die Kriegsverbrechen vorgehalten. Später behauptete Plavsic indessen, keine Ahnung gehabt zu haben, wer Arkan gewesen sei. Nach dem Krieg trennte sich Plavsic von den bosnisch-serbischen Hardlinern - Radovan Karadzic und Momcilo Krajisnik - und gründete ihre eigene Partei, das Serbische Volksbündnis (SNS). Zwischen 1996 und 1998 war sie Präsidentin der Serbischen Republik.

Die Biologin will dem UNO-Tribunal dem Vernehmen nach eine Verordnung von Radovan Karadzic aus der Kriegszeit präsentieren, wonach sie von Führungsentscheidungen fern gehalten werden solle. Plavsic hält sich nach Worten ihres Anwaltes für unschuldig. Die Tribunals-Chefanklägerin Carla del Ponte will auf einem gleichzeitigen Gerichtsprozess gegen Plavsic und den früheren bosnisch-serbischen Parlamentspräsidenten Momcilo Krajisnik beharren. Krajisnik befindet sich seit April 2000 im Tribunalsgefängnis.