Die Nationalbibliothek versucht in der Schau "Der ewige Kaiser", dem Mythos Franz Joseph nachzuspüren.
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Natürlich macht die Ausstellung einen Spagat, und den merkt man ihr deutlich an - doch er liegt in der Natur der Sache, oder vielmehr: in der Natur der Person. Kaiser Franz Joseph I. ist Mythos und Hassobjekt gleichermaßen. Er ist bis heute Touristenmagnet, er ist gemeint, wenn Gäste aus dem Ausland von "the Kaiser" sprechen; aber er war es auch, der Europa in die Katastrophe des Ersten Weltkriegs führte, die nicht nur das Habsburgerreich zerstörte, sondern Europa bis 1945 zum Krisenfall und Kriegsgebiet machte.
"Der ewige Kaiser" betitelt die Nationalbibliothek ihre Ausstellung zur 100. Wiederkehr des Todestages von Franz Joseph: Am 21. November starb der Monarch im Alter von 86 Jahren. 68 Jahre (leicht zu merken durch den Ziffernsturz in Bezug auf sein Alter beim Tod) hatte er geherrscht. Ihm folgte auf dem Thron Karl I., Großneffe Franz Josephs, der nur noch glanzlos den Ersten Weltkrieg und damit auch die Monarchie zu einem verlustreichen Ende bringen musste.
Herrscher vieler Völker
Tatsächlich aber schwebte dieses Ende einer Ära auch schon über Franz Joseph. Nur seine lange Regierungszeit vernebelt das ein wenig. Doch es knackte vernehmlich im Gebälk des Vielvölkerstaates. "Viribus unitis", mit vereinten Kräften, war der Wahlspruch des Kaisers. Doch zur Vereinigung der Kräfte war manch Kraftanstrengung notwendig - und wenn die nicht mehr ausreichte, wurde kosmetisch korrigiert, wie im Ausgleich mit Ungarn. Immer wieder gelang es gerade noch, den Zusammenbruch des Vielvölkerstaats, der auch als Völkerkerker empfunden wurde, zu verhindern.
Doch dieser Vielvölkerstaat ist auch, trotz seines Scheiterns an nationalistischem Denken, ein Modell eines multiethnischen Staates, in dem sich die Nationen auf einen gemeinsamen Grundkonsens einigen, nicht aber auf eine gemeinsame Leitkultur. Im Kaiser verkörperte sich dieser Grundkonsens. Dennoch konnte auch Franz Joseph den Zerfall der Monarchie selbst mit einem Krieg nur hinauszögern, nicht aber verhindern.
Spagat auch auf einer anderen Ebene - und gerade ihn zeigt die Ausstellung in der Nationalbibliothek beispielhaft anhand von Fotos, Briefen und Dokumenten: hier der Privatmann Franz Joseph, dort der Kaiser. Sein Propagandaapparat arbeitete daran, ihn nicht nur als den absolutistischen Machthaber in Glanz und Glorie zu inszenieren, sondern ihn sympathisch erscheinen zu lassen. Wirbt auch die Schau in angenehmer Distanziertheit nicht um Sympathie für den Kaiser, so zeigt sie ihn dennoch als Menschen mit persönlichen Erfolgen und persönlichen Tragödien - und auch Liebschaften.
Die Schau in der Nationalbibliothek ist eine wertvolle Ergänzung zur bevorstehenden großen Ausstellung in Schloss Schönbrunn, die am 16. März beginnt.
Ausstellung
Der ewige Kaiser
Hans Petschar (Kurator)
Prunksaal der Nationalbibliothek
Bis 27. November