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Kakanien und Buzzwords

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© Luiza Puiu

Die meisten einst mächtigen Staaten bewahren Reste von strategischer Kultur. Österreich leider nicht.


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Es sind nicht nur Sicherheit und Verteidigung, bei denen es der Republik nicht gelingt, eine der Bedeutung des Themas angemessene Form der öffentlichen Auseinandersetzung zustande zu bringen. Zuwanderung und Integration: wurden über Jahrzehnte ignoriert oder - zum Guten wie Schlechten - karikiert. Die Nachhaltigkeit der Altersvorsorge: viel zu unpopulär und verunsichernd. Antworten auf Zukunftsfragen wie Energiesicherheit und öffentliche Nutzbarmachung digitaler Daten: Vogel-Strauß-Politik und Buzzword-Bingo.

Warum ist das so - nicht nur, aber eben vor allem auch in Österreich?

Österreich war über die längste Zeit seiner langen Geschichte eine Großmacht. Über Jahrhunderte rang das Habsburger-Reich mit Frankreich um die Vorherrschaft. Obwohl bereits geschwächt, gelang es dem Vielvölkerstaat dank diplomatischem Geschick, im Konzert der Großen mitzuspielen.

Den meisten einst mächtigen Staaten, die später zu Kleinstaaten schrumpften, gelingt es, einen Rest an strategischem Denken, einem Gefühl für die Notwendigkeit von Staatsräson in die neue politische Wirklichkeit zu retten. Kein Staat fängt ganz bei null an, weil eben nicht nur Menschen, sondern auch Institutionen, zumal Bürokratien und andere langlebige Organisationen über so etwas wie ein Langzeitgedächtnis verfügen.

Das ist auch in Österreich der Fall. Allerdings zeichnet sich die heimische Erinnerung durch Verzerrung, Verzwergung und Karikatur aus. In Kakanien, Operettenstaaten und Bananenrepubliken weiß man wenig vom Stellenwert staatspolitischer Verantwortung und den Interessen der Res Publica, die sich dem Klein-Klein des Parteienhickhacks entziehen sollten. Der politischen Sphäre, die längst nicht nur aus den Parteien besteht, ist hier wenig heilig, und dem Lächerlichen sind keine Grenzen gesetzt.

Die Voraussetzung dafür, dass ein Staat glaubt, sich einen solchen Luxus leisten zu können, ist die innere Überzeugung aller Akteure, dass es auf das eigene Tun und Lassen ohnehin nicht ankomme; im Fall der Neutralität sind es äußere Faktoren, die für Sicherheit sorgen, also Kalter Krieg, Nato oder EU; im Falle der Wirtschaftspolitik sorgten meist, wenngleich nicht immer, die Sozialpartner für Seriosität.

Solche Zustände gedeihen in solchen Staaten am besten, wo die Politik von zu vielen maßgeblichen Akteuren als Spiel verstanden wird, wo es vorrangig ums Gewinnen und Verlieren geht und nur höchst indirekt um das Ringen um die bestmöglichen Lebensbedingungen für die Menschen im Land.