Bei der Impfung ihrer Bürger schlagen sich einige US-Bundesstaaten deutlich besser als andere. Die föderalen Strukturen und das Erbe der Trump-Administration erweisen sich aber fast überall als Hemmschuh.
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Wer hat, der kann; und je mehr einer hat, umso mehr kann er sich über jene Konventionen hinweg setzen, die für Normalsterbliche gelten. Angesichts des Chaos bei der Verteilung des Covid-19-Impfstoffs in Kalifornien veröffentlichte das Magazin "Variety", als Sprachrohr der US-Unterhaltungsindustrie sonst nicht eben für Storys über Gesundheitspolitik bekannt, jetzt einen aussagekräftigen Artikel über den Umgang von Hollywoods Größen mit der Situation. Der Succus der Geschichte: Grundsätzlich sind in dem mit 40 Millionen Einwohnern größten Bundesstaat der USA auch nur bestimmte Personengruppen für die ersten Impf-Tranchen zugelassen - medizinisches Personal, Altenpfleger und über 65-Jährige. Aber in Hollywood schrecken die Produzenten, Manager, Agenten und Adabeis der Film- und Fernsehstars offenbar vor nichts zurück, um noch schnell eine Impfung abzustauben.
Die in "Variety" aufgelisteten Taktiken reichen von der versuchten Bestechung prominenter Ärzte in Beverly Hills über per Privatjet vollzogenem "Impftourismus" bis zur Drohung, Universitätskliniken künftig Spenden vorzuenthalten, wenn sie einem die Spritze verweigern. Ein zutiefst amerikanisches Sittenbild, das freilich mehr mit der grundsätzlichen Verfasstheit der Branche und weniger mit dem Versagen der Bundesstaatsregierung zu tun hat.
30 Millionen geimpft
Was nichts daran ändert, dass eben jene Regierung, angeführt von dem liberalen Gouverneur Gavin Newsom, seit Wochen unter Beschuss steht, weil sie immer noch eine kohärente Impf-Strategie vermissen lässt.
Insgesamt sind in den USA, einem 330-Millionen-Einwohner-Land, bisher rund 30 Millionen Impfdosen verabreicht worden. Aber das Bild in den Bundesstaaten schaut äußerst unterschiedlich aus. Kalifornien ist etwa im Pro-Kopf-Verhältnis im Vergleich zu den anderen 49 Bundesstaaten am unteren Ende der Skala der verabreichten Impfungen.
Die Impf-Spitzenreiter mit Stand Ende Jänner: North und South Dakota und West Virginia, gefolgt von einer Handvoll weiterer kleiner Bundesstaaten.
Die Gründe, warum gerade diese drei Vorreiter in der Impfstoffverabreichung wurden, sind leicht erklärt. Als Erstes haben sie den Vorteil, das in ihnen nur sehr wenig Menschen leben (South Dakota: rund 882.000, North Dakota: 760.000, West Virginia: 1,8 Millionen). Zusammen genommen wohnen dort in etwa so viele Leute, wie sich allein in Kalifornien bisher mit dem Coronavirus angesteckt haben (3,2 Millionen Betroffene und rund 39.000 Todesopfer).
Lokale Ärzte als Schlüssel
Zudem überließen es die Top Drei nicht, wie es die Trump-Administration forciert hatte, bundesweit niedergelassenen Apotheken-Riesen wie CVS und Walgreens, die Impfungen zu verabreichen. Stattdessen gaben die Bundesstaaten den Impfstoff an lokale Apotheken und Arzneimittelhändler weiter, die teilweise seit Jahrzehnten in Geschäftsverbindungen mit Altersheimen und Krankenhäusern stehen.
Das allein erklärt allerdings noch nicht, warum der kalifornische Riese - das Bundesland ist seit Monaten das Epizentrum der Pandemie in den USA - trotzdem derart hinterherhinkt. Kalifornien schneidet nämlich auch äußerst schlecht ab, wenn man es mit großen Bundesstaaten wie Texas (30 Millionen Einwohner) oder New York (20 Millionen), vergleicht - denn die stehen bisher vergleichsweise gut da.
Ein Gutteil der Probleme in Sachen Impfstoff sind im Westen vielmehr hausgemacht. Abgesehen von der mangelnden politischen Durchsetzungskraft des Gouverneurs besteht Kaliforniens strukturelles Problem darin, das nicht nur jeder einzelne seiner 58 Verwaltungsbezirke über ein eigenes, de facto autonom agierendes "Health Department" verfügt, sondern teilweise auch einzelne Städte. Paradebeispiel: Die zu LA County gehörende Stadt Pasadena, die es etwa vergangenes Jahr Restaurants erlaubte, zu einem Zeitpunkt offen zu halten, als alle anderen Städte rundherum sie längst zur Schließung gezwungen hatten.
Zentrale Datenbank soll helfen
Um die Misere in den Griff zu bekommen, kündigte Nadine Burke Harris, Chefin der obersten Gesundheitsbehörde Kaliforniens, jetzt zumindest die Einrichtung einer einheitlichen Datenbank an, die alle Impf-Fahrpläne zentral erfassen soll. Fast zeitgleich kündigte Präsident Joe Biden in Washington D.C. an, die bestehenden Organisationsdefizite durch mehr Engagement der Bundesregierung auszugleichen. Eine Strategie, der sich Donald Trumps Administration, die die Bundesstaaten bei der Bekämpfung der Pandemie de facto allein ließ, bis zuletzt verweigert hatte.