Industrie leistet Widerstand
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San Francisco. Kalifornien steigt am heutigen Mittwoch in den Handel mit CO2-Zertifikaten ein. Damit tritt nach der EU das zweitgrößte Emissionshandelssystem weltweit in Kraft. Die Ziele sind ambitioniert: Bis 2020 will die neuntgrößte Volkswirtschaft der Erde den Ausstoß von CO2 und anderen Klimakillern um 17 Prozent reduzieren und damit den Stand von 1990 erreichen. Ein Drittel der Energie soll dann aus erneuerbaren Quellen bezogen werden.
Schwarzenegger als Spiritus rector
Beim Emissionshandel erkaufen sich Unternehmen das Recht, eine bestimmte Menge Kohlendioxid in die Atmosphäre zu blasen. Die Lizenzen werden in einer Art Börsenhandel erworben. Nachdem sich Teile der kalifornischen Wirtschaft massiv gegen die Beschränkungen gewehrt haben, treten die Maßnahmen gestaffelt in Kraft. Vorerst trifft das Gesetzespaket mit dem Kürzel "AB 32" nur die größten Verschmutzer wie Zementfabriken, Stahlwerke, Raffinerien und Elektrohersteller. 350 Unternehmen bekommen Gratis-Zertifikate für 90 Prozent ihrer aktuellen Treibhausgas-Emissionen. Was sie darüber hinaus brauchen, müssen sie am neuen staatlichen Emissionsmarkt kaufen. Anreiz für die Firmen: Senken sie den Schadstoffausstoß auf unter 90 Prozent, dürfen sie die überzähligen Zertifikate verkaufen und den Erlös einstreifen. Als Mindestpreis für eine Tonne Treibhausgas hat Kalifornien zehn Dollar festgeschrieben. Bis Ende kommenden Jahres will der Staat so eine Milliarde Dollar für seinen klammen Staatshaushalt eintreiben.
Der nun startende Handel mit CO2-Zertifikaten ist aus zwei Gründen aufs Engste mit dem Namen Arnold Schwarzenegger verbunden: Der kalifornische Ex-Gouverneur und gebürtige Österreicher hat den größten und produktivsten US-Bundesstaat in eine schlimme Finanzkrise geführt und einem enormen Sanierungsbedarf geschaffen; andererseits gilt er zu Recht als Vorkämpfer für den Klimaschutz in den USA.
Kritiker bemängeln, dass es sich bei der Reform um eine reine Geldbeschaffungs-Aktion handle. Die größten Verschmutzer haben sich zu einer Interessensvereinigung zusammengeschlossen. Sie fürchten "zerstörerische Auswirkungen" für die kalifornische Wirtschaft und vergessen nicht zu erwähnen, dass letztendlich der Konsument die Zeche zahlen werde. Einige Firmen drohen damit, die Produktion in einen Bundesstaat ohne derartige Auflagen verlegen zu wollen.
Mit der offiziellen Einführung des Emissionshandels nimmt Kalifornien nicht zum ersten Mal eine Führungsrolle in Sachen Umweltschutz ein. Gouverneur Schwarzenegger trieb während seiner ganzen Amtszeit (2003 bis 2011) entsprechende Maßnahmen voran - auch gegen den Widerstand seiner republikanischen Parteifreunde. Vorbild war oft Europa, das den Handel mit Emissionszertifikaten im Jahr 2005 eingeführt hat. 2009 traten in Kalifornien Treibstoffauflagen in Kraft, mit denen die Kohlenstoffintensität von Benzin und Diesel bis 2020 um 10 Prozent gesenkt werden soll. Raffinerien wurden verpflichtet, alternative Produkte mit geringeren CO2-Emissionen zu entwickeln, etwa Biokraftstoffe und Strom für Elektrofahrzeuge.
Einen wichtigen Verbündeten hatte Schwarzenegger in Barack Obama, der sich für die Produktion abgasärmerer Autos starkmacht. Schwarzeneggers Nachfolger im Amt des Gouverneurs, der Demokrat Gerry Brown, führte die Politik des ehemaligen Filmhelden in Kalifornien konsequent fort.
Die Debatte um den Klimawandel wird in den Vereinigten Staaten äußerst kontroversiell geführt, Gegner und Befürworter argumentieren leidenschaftlich, Parteigrenzen spielen wie so oft in den USA nur bedingt eine Rolle. So sind vor allem die Republikanern gespalten. Der rechtskonservative Parteiflügel rund um die Tea Party hält den Klimawandel mehrheitlich für eine gefährliche Fiktion, nicht wenige moderate Republikaner sind aber mittlerweile für Maßnahmen. Die Republikaner im US-Senat haben die Klimaschutz-Initiativen Obamas 2010 geschlossen boykottiert - als Teil einer generellen Obstruktionspolitik, die aber an ihr Ende gekommen sein dürfte.