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Kalte Progression ade

Von Franz Molitor

Gastkommentare
Franz Molitor (52) studierte Politikwissenschaft und ist Beobachter des Zeitgeschehens abseits von Parteien, Akademien und Think-Tanks.
© privat

Eine echte negative Einkommensteuer könnte als eine Art Grundsicherung Armut bekämpfen.


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Der Arbeitsmarkt ist eine moderne Arena, in der viele auf der Strecke bleiben. Eine kleine Reform des Einkommensteuersystems unter der Prämisse "Die stärksten Schultern tragen die schwerste Last" - inklusive eines Modells der Grundsicherung für alle, die einen Gang zurückschalten müssen oder Schritt für Schritt versuchen, wieder auf eigenen Beinen zu stehen - könnte für Menschen mit einem wie auch immer gearteten Handicap einiges erleichtern. Zumal, wenn es eine Grundsicherung in Form einer echten negativen Einkommensteuer gäbe wie im hier vorgeschlagenen Modell.

Der Eingangssteuersatz beträgt 10 Prozent für jenen Teil des Einkommens zwischen 15.001 und 16.000 Euro. Für die zweite, dritte und vierte Steuerstufe sind für den Teil des Einkommens zwischen 16.001 und 17.000 Euro 11 Prozent, für jenen zwischen 17.001 und 18.000 Euro 12 Prozent und jenen zwischen 18.001 und 19.000 Euro 13 Prozent Einkommensteuer vorgesehen. Die Steuerstufen steigen in Tausenderschritten an, und mit jeder weiteren Steuerstufe steigt der Prozentsatz der Einkommensteuer um ein weiteres Prozent an, bis er den Spitzensteuersatz von 69 Prozent für den Teil des Einkommens über 74.001 Euro erreicht hat.

Steuergutschrift statt Gutscheine

Personen mit einem steuerpflichtigen Jahreseinkommen zwischen 14.000 und 32.000 Euro erhalten eine sozial treffsichere Steuergutschrift in der Höhe zwischen 950 und 50 Euro anstelle diverser Gutscheine. Bei steigender Inflation kann die Steuergutschrift erhöht und/oder der Eingangssteuersatz erst bei höheren Einkommen angesetzt werden. Der Hauptursache der Inflation sollte auf EU-Ebene durch Eingriffe in den Strommarkt begegnet werden.

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Die negative Einkommensteuer soll als zusätzliches Instrument Armut bekämpfen und die Integration in den beziehungsweise den Verbleib im ersten Arbeitsmarkt ermöglichen. Denn jede und jeder kann einmal in die Situation kommen, den Job (oder mehr) zu verlieren und nicht auf Anhieb etwas Neues zu finden, das einigermaßen passt. Personen mit einem Monatseinkommen unter 1.000 Euro erhalten den Betrag, der auf 1.000 Euro fehlt, vom Finanzamt aufs Bankkonto überwiesen. Das heißt, wer zum Beispiel monatlich ein Einkommen von 455 Euro (entweder durch Arbeit, Pensionszahlungen, Gewinnausschüttungen oder andere Quellen) hat, bekommt 545 Euro vom Finanzamt überwiesen; bei einem Einkommen von 950 Euro im Monat sind es 50 Euro.

Die Höhe der negativen Einkommensteuer kann von Monat zu Monat unterschiedlich sein, je nach Höhe des Einkommens im jeweiligen Monat. Wer ohne Einkommen ist, bekommt 1.000 monatlich (14 Mal im Jahr - noch besser wäre 16 Mal im Jahr) überwiesen. Fragen der Anwartschaft (zum Beispiel 60 Beitragsmonate in die Sozialversicherung) sollten ebenso wie die Einführung eines gesetzlichen Mindeststundenlohns (Stichwort: Working Poor) Teil einer sachlichen Debatte sein. Für Personen in Notlagen, die die negative Einkommensteuer nicht erhalten, sollten eine Ombudsstelle und Härtefallkommissionen in den Finanzämtern eingerichtet werden.