Fritz Kaltenegger: ÖVP steht für Leistungsbereitschaft. | ÖVP muss Wahlergebnis aufarbeiten. | "Wiener Zeitung": Die ÖVP erweckt spätestens seit dem Wahlergebnis vom 28. September den Eindruck eines Patienten auf der Psychiater-Couch. Für welche Werte will denn die Volkspartei stehen? | Fritz Kaltenegger: Die ÖVP steht für Leistungsbewusstsein und Leistungsbereitschaft. Dieses Prinzip vorneweg zu tragen, ist gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten unglaublich wichtig, um auch wirtschaftspolitisch die richtigen Antworten geben zu können - damit die Jobs sicher sind, die Wirtschaft wächst, der Wohlstand steigt. Natürlich ist klar, dass ein solch enttäuschendes Wahlergebnis zuerst einmal aufgearbeitet werden muss, das betrifft die Mitarbeiter genauso wie die Funktionäre.
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Die ÖVP scheint wie fixiert auf ihre 42 Prozent bei den Wahlen 2002. Dabei kam sie schon bei den Wahlen 1994, 1995 und 1999 auf einen maximalen Stimmenanteil von 28 Prozent. Vielleicht sollte die ÖVP einfach akzeptieren, dass sie nur in Ausnahmesituationen eine Chance auf die Nummer eins hat?
Ich glaube nicht, dass wir uns von vornherein mit der Nummer zwei zufrieden geben sollten. Stärkste Kraft zu sein und den Kanzler zu stellen, muss unser Anspruch sein. Das heißt aber nicht die Augen davor zu verschließen, dass sich die politische Landschaft grundlegend verändert hat - noch nie haben etwa so viele Parteien kandidiert wie bei den letzten Nationalratswahlen. Vor diesem strukturellen Problem steht aber nicht nur die ÖVP.
Die Bundespartei ist nur eine Baustelle, am 1. März stellen sich zwei weitere einer Landtagswahl: In Salzburg werden der ÖVP kaum Chancen eingeräumt, den Landeshauptmannsessel zurückzuerobern, und in Kärnten können die Schwarzen froh sein, dass die Hürde für den Einzug in den Landtag abgesenkt wurde. Denken Sie mit Schaudern an das Frühjahr?
Überhaupt nicht, neben dem Herbst gehört das Frühjahr, wenn die Natur wieder ergrünt - das meine ich jetzt nicht politisch -, zu meinen Lieblingsjahreszeiten. Politisch sehe ich für diese Zeit nicht schwarz: In Salzburg sind wir nicht so chancenlos wie alle glauben und in Kärnten werden die Karten nach dem Tod von Jörg Haider völlig neu gemischt. Es gibt keinen Grund tiefzustapeln, wir müssen unsere Kräfte sammeln, eine klare Strategie erarbeiten.
Wie wollen Sie das erreichen, wenn Sie, wie überall berichtet wird, nicht ständig mit der SPÖ streiten wollen?
Priorität hat jetzt die Bewältigung der Wirtschaftskrise, da ist die gesamte Regierung gefordert, das erwarten die Menschen. Aufgabe der Parteisekretariate von SPÖ und ÖVP ist es dabei, diesen Kurs zu unterstützen. Das ändert nichts daran, dass wir gleichzeitig auch die Profile unserer Parteien schärfen müssen, um für kommende Wahlen gerüstet zu sein. Dieses Kunststück macht den Job nur noch interessanter.
Woher will die ÖVP verlorene Wähler zurückgewinnen: Von FPÖ/BZÖ durch Rückbesinnung auf konservative Werte und rigide Ausländerpolitik oder von den Grünen durch eine gesellschaftspolitische Öffnung? Das ist vor allem für die kommenden Wiener Wahlen relevant.
Wien ist für die ÖVP von zentraler Bedeutung, hier geht es darum, die Mitte zu verbreitern, urbane Bürgerliche anzusprechen, auch über eine klare Linie in Fragen wie Asyl oder Integration. Das heißt jedoch nicht, dass die ÖVP die FPÖ rechts überholt - das wäre auch gar nicht möglich. SPÖ und FPÖ werden sich in Wien ohnehin eine gehässige Schlacht um den Gemeindebau liefern. Das ist auch eine Chance für die Wiener ÖVP.
Wird es wieder einen Bundesgeschäftsführer geben?
Das ist noch nicht endgültig entschieden, aus heutiger Sicht aber eher nicht.
Ist es ein Nachteil, diesen Job ohne politisches Mandat erledigen zu müssen?
Im Moment fällt mir keiner ein, der einzige Unterschied zu meinem SPÖ-Kollegen ist, dass er Immunität bei seinen Aussagen genießt. Nachdem ich nicht vorhabe, zum Wadlbeißer zu werden, mache ich mir aber keine Sorgen.
Zur PersonFritz Kaltenegger, (37) ist Absolvent der Universität für Bodenkultur und war seit 2001 im ÖVP-Klub. 2003 wechselte er als Kabinettschef ins Büro von Landwirtschaftsminister Josef Pröll, 2005 wurde er Direktor des ÖVP-Bauernbundes.