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Kalter Krieg der USA gegen China

Von Wendelin Ettmayer

Gastkommentare
Wendelin Ettmayer war Nationalratsabgeordneter der ÖVP, Botschafter in Finnland, Estland, Kanada, Jamaika und beim Europarat (www.wendelinettmayer.at).

Wie soll sich die EU im Konflikt der beiden Großmächte verhalten?


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Die USA haben China einen Kalten Krieg erklärt. Dieser wird zunächst in Form eines Wirtschaftskrieges ausgetragen, es kommt aber auch zu einem neuen Rüstungswettlauf. Dabei sind auch die Geheimdienste auf allen Ebenen tätig. Und aus den Medien erfahren wir, dass die Menschenrechte in dieser Auseinandersetzung täglich als Waffe eingesetzt werden. China soll als aufsteigende Macht eingedämmt werden. Darüber hinaus wird der Führung Peking vorgeworfen, den westlichen Demokratien ihr autoritäres System aufzwingen zu wollen. Eine "Allianz der Demokratien" soll die USA in diesem Kampf unterstützen und dem neuen Kalten Krieg eine breite Legitimation verleihen.

Aber will China sein politisches System überhaupt exportieren? Tatsächlich hat China während der vergangenen Jahrzehnte einen fast unvorstellbaren Aufschwung geschafft. Die wirtschaftliche Leistung wurde vervielfacht, und über eine "Neue Seidenstraße" soll der wirtschaftliche Austausch mit Ländern auf allen Kontinenten intensiviert werden. Mit den Olympischen Spielen und der Weltausstellung in Shanghai ist es gelungen, das Ansehen des Landes in der Welt zu erhöhen.

China ist nicht die Sowjetunion

Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrug im Jahr 1980 lediglich 303 Milliarden US-Dollar, 2020 waren es bereits 13,8 Billionen US-Dollar, und bis 2026 soll es auf 24 Billionen US-Dollar ansteigen. Damit ist der Anteil Chinas an der Weltwirtschaft in den vergangenen 40 Jahren von 2,27 auf 17,3 Prozent gestiegen und wird in fünf Jahren mehr als 20 Prozent betragen. China wurde von einem von der Landwirtschaft geprägten Land zu einer Dienstleistungsgesellschaft. Seine Exporte haben alle anderen Länder in den Schatten gestellt und betrugen im Jahr 2019 bereits 11 Prozent der weltweiten Exporte. Im Jahr 2020 tätigte China mit 154 Milliarden US-Dollar die meisten Auslandsinvestitionen.

Diese wirtschaftliche Stärke soll im Rahmen der "Belt & Road Initiative", dem Lieblingsprojekt von Staatspräsident Xi Jinping, auf dem Landweg und über das Meer die Verbindung Chinas zur übrigen Welt wesentlich verbessern. Um Milliarden Dollar werden neue Autobahnen und Eisenbahnnetze, Häfen und Flughäfen von Kasachstan bis Griechenland und von Indonesien bis Afrika gebaut. Diese "Neue Seidenstraße" ist ein wahres Jahrhundertprojekt.

Heißt das also, dass Peking sein politisches System in die ganze Welt exportieren und auch den westlichen Demokratien aufzwingen will? Bedeutet der Kauf von Waren auch die Übernahme der politischen Ideologie des Exporteurs? Wohl nicht. Vor allem: Während der sowjetische Kommunismus sehr wohl eine missionarische, machtpolitische Komponente hatte, ist es die offizielle Politik der Führung in Peking, ihre Ideologie nicht zu exportieren. Genau das führte Deng Xiaoping in einer historischen Erklärung gegenüber einer österreichischen Delegation schon 1973 in Peking aus. Wie Gerd Kaminski in seinem Buch "Chinas Aufstieg - Der Rückblick des Lao Ka" schreibt, sagte Deng damals: "Man kann eine Ideologie nicht exportieren. Gesellschaftssysteme und Lebensbedingungen werden von den Völkern selbst gewählt. Ein Export von Ideologie wird nicht erfolgreich sein."

Wie soll sich Europa verhalten? Mit einem Handelsvolumen von rund einer Milliarde Euro pro Tag ist China heute der bedeutendste Handelspartner der EU. Diese hat offiziell festgelegt, China als "strategischen Partner", hinsichtlich des politischen Systems aber als Rivalen zu sehen. Das ist natürlich keine eindeutige Antwort auf die entscheidende Frage: Sollen sich die EU-Staaten dem Kalten Krieg der USA gegen China anschließen?

Europa muss jedenfalls auch seine eigenen Interessen wahrnehmen. Es geht darum, die Integration der EU so zu gestalten, dass die anstehenden Probleme innerhalb der Union, aber auch in Zusammenarbeit mit anderen gelöst werden können. Letztlich geht es darum, ob wir für die Bewältigung der anstehenden Herausforderungen in der Welt mehr Kooperation oder mehr Konfrontation brauchen.

Die Frage ist daher, wie die Staatenwelt auf all diese Herausforderungen reagieren soll: mit Kooperation oder mit Konfrontation? Mit einer "Allianz der Demokratien" wollen die USA dem Rest der Welt den Kampf ansagen. Wer sich nicht mit ihnen alliiert, wird als "Autokrat", "Diktator" oder "Killer" abgestempelt. Schon in ihrer "Defense Planning Guidance" (1992) haben die USA festgestellt, dass alle Anstrengungen unternommen werden müssen, damit kein anderes Land der Welt auch nur annähernd die militärische Stärke der US-Streitkräfte erreicht.

Mehr "Global Governance"

Diese Betonung der militärischen Stärke zeigt natürlich, dass die Konfliktlösung im internationalen Bereich noch Züge des Faustrechts aufweist. Bis zum "Ewigen Landfrieden" von 1495 wurden auch innerstaatliche Konflikte durch Fehden, also mit Waffengewalt ausgetragen. Die Fehde wurde verboten, aber bei internationalen Konflikten gilt der Einsatz bewaffneter Macht immer wieder als legitimes Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen. Es wäre an der Zeit, auch international jenen Weg zu gehen, der innerstaatlich zur Beilegung von Konflikten auf dem Rechtsweg geführt hat.

Ein wesentlicher Schritt wäre es daher, heute "Global Governance" etwa durch eine stärkere Zusammenarbeit in den zahlreichen "technischen" Organisationen der UNO zu stärken. Interessen und Ziele könnten besser koordiniert werden; es geht darum, die "globale Zivilgesellschaft", also Gruppen, die über staatliche Grenzen hinweg zusammenarbeiten, stärker einzubinden.

Aber auch im politischen Bereich sollte eine stärkere Zusammenarbeit möglich sein, etwa dort, wo auch bei den Großmächten gemeinsame Interessen bestehen. Dazu gehören Terrorbekämpfung, Hilfe bei Naturkatastrophen oder die Kontrolle "gescheiterter Staaten". Dafür würde sich der Treuhandschaftsrat der UNO anbieten. Dieser hatte ursprünglich die Aufgabe, Kolonien und abhängige Gebiete in die Unabhängigkeit zu führen. Seit Jahren ruht seine Tätigkeit. Diese Institution würde sich aber als Gremium für eine Zusammenarbeit auch zwischen Großmächten anbieten - eben dort, wo gemeinsame Interessen bestehen.

Eine Langfassung dieses Textes ist soeben in der Ausgabe VI/2021 der Zeitschrift "International" (www.international.or.at) erschienen.