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Kameruns wachsende Demokratie

Von Justin Bedoume

Politik

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In der letzten Sitzung vor der Jahrtausendwende stimmte der Nationalrat Kameruns für zwei Gesetze, die für den demokratischen Prozeß des Landes einschneidend sind: das Gesetz über die Finanzierung von politischen Parteien, und vor allem das Gesetz über die Gründung einer nationalen Wahlüberwachungskommission (ONEL).

Kamerun, in Zentralafrika gelegen, ein wenig unterhalb des Äquators, mit einer Fläche von 475.000 km² und etwa 15 Millionen Menschen, hat, wie die meisten anderen afrikanischen Staaten seine Demokratieentwicklung seit 1990 begonnen.

Nach einer Zeit unter deutschem Protektorat (1884 - 1918), gefolgt von einer britischen und französischen Vormundschaft (1918 - 1960 - 61), erlangte Kamerun 1960 (auf der französischen Seite) und 1961 (auf der britischen Seite) die Unabhängigkeit. Die zwei Territorien vereinigten sich 1961 zur föderalen Republik Kameruns, die 1972 zur Vereinigten Republik Kameruns und schließlich 1984 zur Republik Kamerun wurde. Während die Vereinigung 1961 von einem Klima der Demokratie und des Parteienpluralismus gekennzeichnet war, wurde diese junge Demokratie schnell erdrosselt und begraben, 1966.

Aus Gründen der "nationalen Einheit" brachte M. Ahmadou Ahidjo, der damalige Präsident der Republik, die anderen Führer dazu, ihre unterschiedlichen politischen Formationen in einer einzigen "großen nationalen Partei" aufzulösen, die Nationale Union Kameruns (UNC) getauft wurde, mit dem Ziel "das Werk des nationalen Aufbaus" zu beginnen, das alle Kamerunesen betraf. Es war diese Einheitspartei die, wie das zu dieser Zeit in Afrika Mode war, bis 1990 als Herrscher über das politische Leben regierte, obwohl es 1984 eine Namensänderung in Demokratische Versammlung des Kamerunesischen Volkes (RDPC) gab. Präsident war der damalige Staatschef M. Paul Biya.

Kamerun trat, wie die anderen Staaten des Kontinents, 1990 in den Demokratieprozeß ein, im Gefolge einer Reihe von Ereignissen in Südafrika (die Befreiung Nelson Mandelas und ihre Folgen) und Osteuropa (Sturz des Kommunismus). Diese Demokratisierung geschah nicht ohne Scherben. Einige Führer, wie Me Yondo Black, Ni John Fru Ndi oder Eboua Samuel mußten, zum Teil unter Einsatz ihres Lebens, auf die Regierung Druck ausüben, bis diese ein Gesetz über ein Mehrparteiensystem beschloß, was im Dezember 1990 der Fall war.

Nur, seit es wieder ein Mehrparteiensystem gibt, hat sich noch immer das Problem der Transparenz bei den Wahlen gestellt, und blockiert die Demokratieentwicklung im Kamerun. Für die kamerunesische Opposition sollte die Organisation von Wahlen einem unabhängigen Verwaltungsorgan übertragen werden und aus Personen, die nach dem Zusammenspiel zwischen den Machthabern und der Opposition bestimmt werden, zusammengesetzt sein. Diese Forderung, die am Morgen nach der Abstimmung über das Gesetz der Mehrparteilichkeit 1990 entstand, stützt sich auf die Tatsache, daß es bis zum November 2000 nur für am Anfang und am Ende eine Verwaltung des Wahlprozesses gab. Daher war die Partei an der Macht eingebunden in alle Wahlvorgänge, die seit 1990 organisiert wurden, und der Staat seit damals Richter und Teil des Wahlvorganges, sodaß alle Verwaltungsorgane dazu beitrugen, das demokratische Spiel zu Gunsten der Partei an der Macht zu verfälschen. Diese Forderung ist am Anfang des Boykotts der Gesetzgebung 1992 gestanden, der von der Hauptpartei der Opposition (der Sozialdemokratischen Front) ausgegangen ist. Sie ist ebenso am Anfang des Boykotts der Präsidentschaftswahlen 1992 gestanden, der von allen wichtigen Parteien der kamerunesischen Opposition durchgeführt wurde (SDF, UNDP, UDC).

Nach einem konstanten Druck der Opposition bezüglich dieser Frage, hat die Regierung endlich entschieden, den Nationalrat am 29 und 30 November über zwei Gesetzesentwürfe abstimmen zu lassen, die ganz erlauben würden, daß Kamerun in den Prozeß einer Ära der transparenten Wahlen eintritt.

Das Gesetz über die öffentliche Finanzierung von politischen Parteien bringt neuen Wind in die Stagnation, den Ehrgeiz und in die offensichtlichen Ungleichheiten, die bis jetzt zwischen den politischen Parteien, die ernsthaft in den demokratischen Prozeß in Kamerun eingebunden waren, existierten. Nach diesem Gesetz würde der Staat von nun an zwei Arten von Subventionen an die aktiven Parteien gewähren. Die erste wird jeder Partei im Rahmen einer Wahl gewährt, abhängig von ihrer anteilsmäßigen Vertretung im Nationalrat und im Senat. Die zweite Art der Finanzierung wird verschiedenen Parteien gewährt "abhängig von den Resultaten der gesetzgebenden Wahlen unter der Bedingung, daß sie bei dieser mindestens 5% der Wählerstimmen in zumindest einem Wahlkreis bei der letzten Wahl auf sich vereinen konnten".

Seit der Wiedererrichtung des Mehrparteiensystems erinnert man sich nur, daß ein einziges Mal im Zuge der gesetzgebenden Wahlen 1992 der Staat den politischen Parteien, die an dieser ersten Wahlbefragung der demokratischen Ära teilgenommen haben, eine Subvention gewährt hat; seit damals nichts mehr, bis zur Abstimmung und zur Verkündung dieses Gesetzes durch den Präsidenten der Republik.

Das zweite Gesetz, das in dieser letzten Nationalratssitzung des Jahrtausends beschlossen wurde, schreibt die Gründung einer nationalen Wahlbeobachtungsstelle (ONEL) fest. ONEL ist eine unabhängige Struktur, die mit der Überwachung und der Kontrolle der Wahlvorgänge und Referenden in Kamerun beauftragt ist. Ihre Arbeit wird es sein, zu wachen über die Korrektheit, Unparteilichkeit, Objektivität, Transparenz und Ehrlichkeit der einzelnen Wahlvorgänge für alle teilnehmenden Parteien. ONEL setzt sich aus 11 Mitgliedern zusammen, die vom Präsidenten ernannt werden. Diese Mitglieder werden ausgesucht unter unabhängigen Personen, die folgende Qualitäten aufweisen: moralische Integrität, intellektuelle Anständigkeit, Neutralität und Unparteilichkeit. Sie dürfen zum Zeitpunkt ihrer Nominierung nirgendwo anders eine Wahlfunktion ausüben und auch nicht Mitglied einer politischen Partei sein und noch weniger eine hohe Funktion in der aktiven Verwaltung ausüben.

ONEL überwacht den Wahlprozeß von der Erstellung der Wahllisten bis zur Verkündigung des Wahlergebnisses. Sie kann jede administrative Autorität, die bezug nehmend auf die Wahlvorgänge gegen die Gesetzgebung agiert, ermahnen. Sie kann falls notwendig die Rolle des kompetenten Richters übernehmen. Das Mandat von ONEL beginnt mit dem Anfang eines Wahljahres und endet mit diesem. Ihre Berichte werden direkt an den Präsidenten der Republik adressiert.

Was sich am Ende dieser zwei Texte zeigt, ist eine Veränderung in allen bisherigen Fällen im Bereich der rechtlichen Instrumente des Landes, im Bereich der Finanzierung der Parteien und der Überwachung der Wahlen. Man kann trotzdem bedauern, daß die Regierung nicht die Forderungen der kamerunesischen Opposition integriert hat, die eine gänzlich neutrale Wahlkommission wollte, mit Mitgliedern, die zu gleichen Teilen von den Machtträgern und der Opposition bestimmt werden.

Für die Opposition ist die Tatsache, daß der Präsident der Republik allein die Mitglieder des Überwachungsorgans bestimmt, der Grund, warum die Unabhängigkeit nicht garantiert sein kann. Denn wie kann eine Stelle ungehorsam sein gegenüber der Autorität, die sie ernannt hat? Für die Opposition ist klar, daß "der Staatschef und die Regierung mit der linken Hand zurückhalten, was sie mit der rechten Hand gegeben haben." Sie sehen ONEL daher nicht als den notwendigen Fortschritt der Demokratie des Landes.

Auch wenn Zweifel auf der Unparteilichkeit der ONEL lasten, so ist doch das Mindeste, was man sagen kann, daß der Weihnachtsmann die kamerunesische Demokratie nicht ganz vergessen hat: er hat ihr zwei Geschenke gemacht, und das größere von beiden ist immer noch die ONEL. Bleibt abzuwarten, wie sie sich entwickelt; letztlich soll man den Tag nicht vor dem Abend loben - aber mit den Klagen ist ebenfalls abzuwarten.

Justin Bedoume ist Gründer einer kamerunesischen Entwicklungsorganisation und Teilnehmer des Master of Advanced Studies Programms der EPU.

Das Österreichische Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ÖSFK) ist ein privater, gemeinnütziger und parteiunabhängiger Verein zur Förderung von Friedensforschung, Friedenserziehung und Friedenspolitik. Schwerpunkte sind die Friedensuniversität und die Trainingskurse für zivile Konfliktbearbeitung.