Wenn der Wahlkampf mit einer gemeinsamen Pressekonferenz der Kandidaten beginnt, ist abzusehen, dass keine Härteschlacht folgen wird. Anfang März 2010 wählen Österreichs Unternehmer für die nächsten fünf Jahre ihre Vertreter in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Ernsthafte Ambitionen, an der Vormachtstellung des ÖVP-Wirtschaftsbunds unter WKO-Präsident Christoph Leitl zu rütteln, zeichnen sich dabei nicht ab.
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Spitzenvertreter von Wirtschaftsbund, Sozialdemokratischem Wirtschaftsverband, Industrie-Liste und vom Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender demonstrierten am Dienstag vor Journalisten größtmögliche Einigkeit. Die gute Zusammenarbeit im Kammer-Präsidium wurde gelobt. Laut Leitl habe es in den vergangenen fünf Jahren durchwegs einstimmige Beschlüsse gegeben. Der WKO-Chef warnt auch davor, die jeweiligen Gegner schlechtzumachen. Er spricht lieber von "Ideenwettbewerb" als von "Wahlkampf".
Dass Leitl daran gelegen ist, den Status quo zu erhalten, überrascht nicht: Bei der Wahl 2005 konnte der Wirtschaftsbund immerhin in allen Bundesländern die absolute Mehrheit halten. Dass aber auch die anderen großen Fraktionen - zumindest nach außen - die Harmonie betonen, hat wohl subtilere Gründe.
Einnahmen sinken
Angesichts der bestehenden Dominanz Leitls und dessen hoher Beliebtheitswerte kann sich selbst Wirtschaftsverbands-Chef Christoph Matznetter - immerhin ein ehemaliger Staatssekretär - kaum realistische Chancen auf einen Umsturz ausrechnen. Dazu kommt, dass die meisten Mitglieder offenbar mit der bisherigen Tätigkeit ihrer Interessensvertretung zufrieden sind: Laut einer Market-Studie im Auftrag der Kammer trifft dies immerhin auf 79 Prozent der Unternehmer zu.
Freilich sorgt auch die Wirtschaftskrise dafür, dass die Kammer-Spitze vom Kuschelkurs gerade jetzt nicht abweichen will: Laut Leitl wird die Interessensvertretung 2010 insgesamt mit um mindestens 40 Mio. Euro geringeren Einnahmen auskommen müssen. Heuer erreicht die WKO dank eines Sparprogramms noch ein ausgeglichenes Budget, im kommenden Jahr müssen bereits die Reserven angegriffen werden. WKO-Finanz-Chef Richard Schenz von der Industrie-Liste rechnet für 2010 mit einem Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von minus 1,9 Mio. Euro. Um dieses auszugleichen, würden Rücklagen aufgelöst. Mitten in dieser angespannten Situation wünscht sich wohl niemand ein Führungschaos, bei dem am Ende vielleicht jemand die alleinige Verantwortung für das schlingernde Schiff übernehmen müsste.
Strittiges Wahlrecht
Einen weiteren Grund dafür, dass sich an den bestehenden Machtverhältnissen wenig ändern dürfte, nennt der Spitzenkandidat der Grünen Wirtschaft, Volker Plass. Die Grünen sitzen als einzige im Wirtschaftsparlament vertretene Gruppierung nicht im Präsidium, somit fehlte Plass auch bei der - eingangs erwähnten - gemeinsamen Pressekonferenz von Präsident und Vizepräsidenten.
Die Grünen kritisieren das Wahlrecht der Wirtschaftskammer, das - ihrer Meinung nach - die anderen Fraktionen bevorzugt. Tatsächlich findet die Wahl auf mehreren Stufen statt, wobei die direkte Stimmabgabe nur für die unterste Ebene, die Branchen-Fachverbände, gilt. Dazu kommt, dass einzelnen Sparten eine bestimmte Mandatszahl im Wirtschaftsparlament zugewiesen wird - hier haben einzelne Industriebetriebe oder Banken ein weit größeres Gewicht als ein Einpersonenunternehmen, das eher zur Klientel der Grünen gehört.
Wie zu erwarten, will Leitl an der Mandatszuteilung nicht rütteln: Diese würde die Beitragsleistungen widerspiegeln. Banken - wie von den Grünen gefordert - überhaupt aus der Kammer auszuschließen, um mehr Druck auf sie ausüben zu können, Kredite zu vergeben, lehnt Leitl ab.
Er setzt lieber auf den "internen Interessensausgleich" zwischen allen Wirtschaftstreibenden. Nun liegt es an den Mitgliedern, ob er die Lizenz zum Weiterkuscheln erhält.