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250 Festnahmen und 80 Verletzte. | Generalstaatsanwalt droht "volle Härte" an. | "Wiener Zeitung" hat mit Betroffenen gesprochen. | Teheran/Wien. Seit Montag bekommt die Führung in Teheran die Wut der Studenten, die die Basis der iranischen Protestbewegung seit der Wiederwahl von Präsident Mahmoud Ahmadinejad im Juni bilden, ganz deutlich zu spüren. Schon in der Nacht auf Montag riefen viele Iraner bei strömendem Regen "Allah o Akbar" und "Tod dem Diktator" von den Dächern.
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In den Morgenstunden versammelten sich dann tausende, überwiegend junge Menschen an einigen Hauptverkehrsknotenpunkten Teherans (etwa dem Walie-Asr-Platz oder dem Ferdosi-Platz) und lieferten sich mit den beiden militärischen Gruppen "Bassij" und "Pasdaran" ein Katz-und-Maus-Spiel.
Gegen Mittag strömten Augenzeugenberichten zufolge Tausende auf die Valieasr Straße und marschierten auf den Universitätscampus zu. Hunderte Polizisten in Kampfanzügen und regimetreue Bassij-Milizionäre hatten das Gelände vorsorglich abgeriegelt. Sie schlugen mit Knüppeln auf die Demonstranten ein und feuerten Tränengas in die Menge. Mindestens 250 Menschen wurden laut oppositionellen Websites verhaftet, außerdem soll es rund 80 Verletzte gegeben haben.
Die Gegner des gemäßigt konservativen Regierungskritikers Mir-Hossein Moussavi bedrängten diesen und blockierten die von ihm geleitete Akademie der Künste in Teheran und hinderten ihn daran, das Gebäude mit seinem Auto zu verlassen. Auch seine Frau Zahra Rahnavard wurde an der Teheraner Universität angegriffen. Eine Gruppe von Frauen sprühte Pfefferspray auf sie. Sie hat Verletzungen an den Augen und der Lunge davongetragen.
"Ich warne alle Randalierer noch ein weiteres Mal. Wir werden gegen alle Störenfriede mit aller Härte vorgehen. Die Konsequenzen werden ab jetzt andere sein. Wir greifen mit voller Härte durch", wiederholte der Bassijchef Mohammad Reza Naghdi am Dienstag. Obwohl Irans Führung ausländischen Journalisten jegliche Berichterstattung über die Demonstrationen verboten hat, konnte die "Wiener Zeitung" mit einigen Betroffenen sprechen.
"Erst der Anfang"
"Das ist alles erst der Beginn des Widerstandes. Sehen Sie sich einmal an, was aus unserem Land geworden ist. Die Bassij-Milizen, allesamt Handlanger der Führung, versuchen alles, um an der Macht zu bleiben, erkennen aber nicht, dass wir in der Überzahl sind. Das Herz der Menschen schlägt für uns, nicht für sie", erklärt Kiarash Sh., einer der Demonstranten im telefonischen Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Eigentlich wird am nationalen Studententag (7. Dezember, Anm.) in jedem Jahr dreier Studenten gedacht, die 1953 während eines Protests gegen einen US-gestützten Staatsstreich ums Leben kamen. Doch diesmal wurde aus dem Studenten- ein Protesttag gegen die eigene Führung. Da half der Führung auch nicht, dass die Universität abgeriegelt, Kommunikationssysteme wie Internet und Telefon blockiert bzw. ganz gesperrt oder die hartnäckigen Demonstranten verhaftet und in Bussen abgeführt wurden.
Das Signal, das die Opposition in die Welt setzen wollte, kam an. "Wir ertragen in diesen Tagen eine Menge Leid. Unsere Familien werden bedroht, wir werden ausgepeitscht und es gibt nichts, wovor sie zurückschrecken, um uns davon abzuhalten, für ein freies Land zu demonstrieren. Aber wir haben noch zehn weitere Veranstaltungen geplant und werden nicht ruhen, bis wir dieser Ungerechtigkeit ein Ende gesetzt haben. Dafür sind wir auch bereit, unser Blut zu geben", gibt sich Kiarash selbstsicher.
Ähnlich kämpferisch ist Shila W. gestimmt. Sie ist eine von jenen Müttern getöteter Demonstranten, die seit Wochen jeden Sonntag im Lale-Park ihrer Söhne gedenken. "In dieser Woche haben sie uns erstmals attackiert und einige festgenommen. Das Regime ist nervös. Ich konnte mich gerade noch retten und fand Zuflucht in einem Haus. Am Montag haben wir dann Faezeh Rafsanjani, die einflussreiche Tochter von Ex-Präsident Ali Akbar Hashemi-Rafsanjani, getroffen, und sie sprach uns Mut zu und forderte Durchhaltevermögen ein. Wir werden durchhalten bis zum bitteren Ende", kündigt sie an.
Scharf ins Gericht geht auch Mir-Hossein Moussavi mit der Führung: "Ihr bekämpft die Menschen auf den Straßen, aber in den Köpfen der Leute verliert ihr zunehmend eure Würde", meinte er erbost auf seiner Website.
Moussavi war als Präsidentschaftskandidat gegen Ahmadinejad angetreten und hatte dem Regime danach umfangreichen Wahlbetrug vorgeworfen. "Es geht nicht darum, wer Präsident ist und wer nicht, sondern darum, dass diese Regierung eine große Nation verkauft hat", so Moussavi weiter. Indes plant Rafsanjani, eine Krisensitzung einzuberufen, um die Lage zu besprechen. Zur Ruhe kommt der Iran jedenfalls nicht, denn schon für diesen Freitag sind die nächsten Protestkundgebungen geplant.