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Kampf den Amigos

Von Manuel Meyer

Politik

In Spanien läutet der Prozessbeginn um Prinzessin Cristina ein Jahr der Korruptionsprozesse ein.


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Madrid. Am kommenden Montag ist es so weit: Dann wird zum ersten Mal ein Mitglied der spanischen Königsfamilie vor Gericht stehen. Prinzessin Cristina von Spanien, Schwester von König Felipe VI., muss sich in Palma de Mallorca wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verantworten.

Schlüsselfigur des Korruptionsprozesses ist allerdings Cristinas Mann Iñaki Urdangarin. Der ehemalige Handball-Profi soll zusammen mit einem Geschäftskollegen über eine gemeinnützige Stiftung namens Nóos rund sechs Millionen Euro Steuergelder ergaunert, veruntreut und in Steuerparadiesen versteckt haben.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Beamtenbestechung, Betrug, Korruption, Geldwäsche, Urkundenfälschung und Steuerhinterziehung vor. Dem Schwager des Königs drohen bis zu 19 Jahre Haft. Prinzessin Cristina, die im Nóos-Vorstand saß und Teilhaberin der Scheinfirma Aizoon war, über welche große Mengen der Gelder gewaschen wurden, drohen acht Jahre Gefängnis.

Bei den Betrügereien sollen auch zahlreiche Regionalpolitiker aus Mallorca und Valencia geholfen und ihre Hand aufgehalten haben. Insgesamt 18 Personen werden am Montag in Palma de Mallorca auf der Anklagebank Platz nehmen müssen, zu denen auch der ehemalige Ministerpräsident der Balearen und frühere Umweltminister Jaume Matas gehört.

Der"Fall Nóos" ist aber nur der Auftakt zu einer ganzen Serie von politischen Korruptionsskandalen, die noch in diesem Jahr vor Gericht verhandelt werden.

"Korruption galt in Spanien lange als eine Art Kavaliersdelikt. Das hat sich in den vergangenen Jahren mit der Wirtschaftskrise allerdings stark geändert", versichert Jesús Lizcano, Vorsitzender von Transparency International in Spanien.

Korruption, Steuerhinterziehung, Schmiergelder. Während des Baubooms hielten Bürgermeister und Politiker vor allem der beiden großen Parteien bei der Vergabe von Aufträgen gerne die Hand auf. Solange es den Spaniern gut ging, klagte niemand.

Doch als 2008 die Immobilienblase platzte, die Wirtschaft im Zuge der internationalen Finanzkrise einbrach und jeder Zweite arbeitslos wurde, platzte den Spaniern auch die Geduld mit ihren Politikern. Die Justiz deckte in den vergangenen Jahren immer neue Schmiergeldaffären auf.

Unterdessen wurden zigtausende Familien von Banken aus ihren Häusern geworfen, weil die Eltern keinen Job mehr hatten und die Hypothek nicht mehr bezahlen konnten. Banken, die parallel mit Milliarden von Steuergeldern wegen verfehlter Immobilienspekulationen vor der Pleite gerettet werden mussten.

Geburtsstunde der neuen Protestparteien

Das war schließlich auch der Beginn der sich weltweit ausbreitenden Empörten-Bewegung, aus der vor knapp einem Jahr die linke Protestpartei Podemos (Wir können) hervorgegangen ist.

Mit ihrem Versprechen, die Drehtüren zwischen Politik und Wirtschaft zu schließen, wurde Podemos bei den spanischen Parlamentswahlen kurz vor Weihnachten auf Anhieb drittstärkste Partei. Lizcano von Transparency International wundert das nicht.

Die Konservativen von Ministerpräsident Mariano Rajoy (PP) und die Sozialisten von Oppositionsführer Pedro Sánchez (PSOE) hätten zwar mit härteren Anti-Korruptionsgesetzen reagiert und die parteiinterne Transparenz erhöht. Seit einem Jahr müssen sogar alle Parlamentarier und Regierungsvertreter ihr Gehalt öffentlich machen.

Dennoch: Die Skandale, die nun nach einigen Jahren Untersuchungen vor die Gerichte kommen, seien so "haarsträubend", dass viele Spanier ihre Stimme den neuen Anti-Korruptionsparteien gaben, so Lizcano.

Vor allem die konservative Regierungspartei steckt tief im Korruptionssumpf. Es handelt sich ausschließlich um konservative Regionalpolitiker, die ab Montag im "Fall Nóos" auf die Anklagebank sitzen. Sie sollen der Stiftung die vollkommen überteuerte Durchführung von Kultur- und Sportevents zugeschustert und dafür ordentlich Schmiergeld erhalten haben.

In den kommenden Monaten laufen auch mehrere Teil-Prozesse in der sogenannten "Gürtel"-Affäre an, der mit 43 Angeklagten größte Korruptionsskandal in der Parteigeschichte der Konservativen. Dutzende Bürgermeister, drei ehemalige Parteischatzmeister sowie verschiedene Kommunalpolitiker sollen für lukrative Aufträge Schmiergelder in zweistelliger Millionenhöhe vom Unternehmernetzwerk um Francisco Correa angenommen haben. Es ging um Bauprojekte, aber auch um andere Projekte wie beispielsweise die Organisation des Papst-Besuchs 2006 in Valencia.

Der bereits seit über einem Jahr in Untersuchungshaft sitzende PP-Schatzmeister Luis Bárcenas soll mit den Schmiergeldern sogar Schwarzgeldkonten geführt haben, aus denen fast sämtliche Spitzenfunktionäre der Partei, Ministerpräsident Mariano Rajoy eingeschlossen, ordentliche Zusatzlöhne erhalten haben sollen. Bárcenas, der in der Schweiz ein Privatkonto mit 50 Millionen Euro hatte, drohen 42 Jahre Haft.

Zum Symbol des korrupten Politikers wurde aber vor allem Rodrigo Rato. Der ehemalige Finanz- und Wirtschaftsminister der Konservativen und spätere Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) wurde 2015 festgenommen und befindet sich aber bis Prozessbeginn Ende 2016 auf freiem Fuß.

Bankenrettung, aber üppige "schwarze Kreditkarten"

Als Vorstandsvorsitzender der Bank Caja Madrid soll er sich der Geldwäsche, des Steuerbetrugs und der betrügerischen Vermögensverschiebung schuldig gemacht haben. Es geht um 6,2 Millionen Euro, die er im Zuge einer allgemeinen Steueramnestie seiner Regierungspartei aus dem Ausland zurückgeholt hatte.

Was das Fass zum überlaufen brachte: Während die Bank mit 20 Milliarden Euro Steuergelder vor der Pleite gerettet werden musste und tausende Kleinaktionäre ihr Erspartes verloren, holten sich Rato, sein Vorgänger Miguel Blesa und andere Vorstandsmitglieder, unter denen sich Gewerkschafter und Regionalpolitiker befanden, noch schnell mit ihren "schwarzen Kreditkarten" 15 Millionen Euro ab.

Die Sozialisten können sich angesichts der Skandale beim politischen Gegner aber nicht profilieren. Denn auch in der von Arbeitslosigkeit gebeutelten sozialistischen Hochburg Andalusien sollen Mitglieder der sozialistischen Regionalregierung mehrere Milliarden Euro Arbeitsfördergelder - teilweise aus EU-Töpfen stammend - an Freunde und auf eigene Konten abgeleitet haben. Mit den Geldern organisierten sozialistische Lokalbarone sich und ihren Amigos üppige und vollkommenden illegale Frühpensionierungen. Dafür müssen sich Ende des Jahres 276 Personen verantworten unter denen sich sogar Andalusiens ehemaligen Ministerpräsidenten Manuel Chaves und José Antonio Griñán befinden.

Dagegen wirken die 11,5 Millionen Euro, die Jordi Puyol, Kataloniens ehemaligen nationalistischer Ministerpräsident von 1980 bis 2003, für die Vergabe öffentlicher Aufträge als Schmiergelder einforderte, nahezu als Peanuts. Er sagt, das im Nachbarland und Steuerparadies Andorra versteckte Vermögen sei eine Erbschaft. Davon muss er den Untersuchungsrichter im Februar erst mal überzeugen. Spanien hat sich verändert. Amigo-Wirtschaft wird nicht mehr akzeptiert.