Zum Hauptinhalt springen

Kampf den Vampiren!

Von Kerstin Viering

Wissen
Kapuzineraffen schützen sich klug vor Insekten.
© Unlisted images/corbis

Mittel gegen Mücken und Zecken sind keine menschliche Erfindung, auch Tiere haben Repellents entwickelt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Berlin. Ein vielköpfiges Heer von Mücken, Gelsen, Zecken und anderen Blutsaugern startet in diesen Wochen seine Angriffe. Menschen sind keineswegs die einzigen Opfer der kleinen Vampire. Auch aus einem anderen Säugetier oder einem Vogel lässt sich eine nahrhafte Blutmahlzeit zapfen. Da auch Tiere nicht bereit sind, die Attacken einfach so über sich ergehen zu lassen, haben sie im Laufe ihrer Evolution eine ganz Palette von Insekten-Repellents erfunden.

So ist etwa die Osha-Wurzel (Ligusticum porteri), die in den Rocky Mountains wächst, ein echtes Allround-Talent. Sie wirkt gegen Magenschmerzen und Infektionen, schlägt aber auch Insekten in die Flucht. Kein Wunder, dass die karottenähnliche Pflanze in der traditionellen indianischen Medizin äußerst beliebt war. Eine Legende der Navajo-Indianer erzählt, dass einst die Bären den Menschen das Wissen über die Heilkräfte des vielseitigen Gewächses gebracht haben. Jedenfalls zerkauen nordamerikanische Braunbären bisweilen Osha-Wurzeln und schmieren sich den mit Speichel vermischten Brei ins Gesicht. Wollen sie sich mit der stark nach Sellerie duftenden Rezeptur gegen Insekten schützen? Eine bessere Erklärung für das ungewöhnliche Verhalten hat noch niemand gefunden.

Menthol und Zitrusfrüchte

Biologen wissen, dass aromatische Pflanzen wirksame Waffen gegen Blutsauger sein können. Weißrüssel-Nasenbären auf der Insel Barro Colorado in Panama zum Beispiel haben die Vorzüge des Gehölzes Trattinickia aspera entdeckt, dass ein stark nach Menthol riechendes Harz absondert. Ein Nasenbär, der sich das ins Fell schmiert, mag zwar duften wie ein Hustenbonbon, hält sich aber Flöhe, Zecken, Läuse und Stechmücken vom Leib.

Anderenorts setzen Nasenbären lieber auf Zitrusfrüchte. Und damit sind sie nicht allein. Die Anthropologin Mary Baker von der University of California in Riverside hat schon Anfang der Neunzigerjahre beobachtet, wie sich Weißschulter-Kapuzineraffen in Costa Rica mit Saft und Fruchtfleisch verschiedener Zitrusgewächse einrieben. Laborversuche haben inzwischen gezeigt, dass diese Pflanzen Verbindungen enthalten, die Insekten und Spinnentiere vertreiben oder sogar abtöten können.

So hat ein Team um Paul Weldon vom Smithsonian-Institut im US-amerikanischen Front Royal die Wirkung von Zitrusfrüchten auf Zecken getestet. Dabei hat man nicht nur aus Zitronenschalen gewonnene Flüssigkeit unter die Lupe genommen, sondern auch 24 einzelne Verbindungen aus den Früchten und Blättern verschiedener Zitrusgewächse. Tatsächlich krabbelten die Zecken etlichen dieser Substanzen aus dem Weg. Kamen sie doch damit in Kontakt, konnten sie anschließend nicht mehr richtig klettern. Die größte Wirkung zeigten dabei die Flüssigkeit aus der Zitronenschale und die Verbindung Carveol.

Der Lebensraum von Kapuzineraffen bietet auch eine ganze Palette von aromatisch duftenden Pflanzen, die sich mit Speichel zu einem wirksamen Insekten-Repellent verarbeiten lassen. Zwiebeln zum Beispiel. Oder verschiedene Pfeffer-Gewächse. Dabei gehen die Tiere wählerisch vor und entscheiden sich gezielt für die Art Piper marginatum - ein Gewächs, dem das ätherische Öl Safrol einen starken, lakritzähnlichen Duft verleiht. Die Biologin Erica Jansen vom Hope College in Holland im US-Bundesstaat Michigan fand heraus, dass Piper marginatum Mückenlarven viel effektiver abtötet als Pfefferarten ohne Lakritz-Aroma.

Braune Kapuzineraffen kamen auf die Idee, sich mit Tausendfüßern der Art Orthoporus dorsovittatus einzureiben. Wie Paul Weldon und seine Kollegen entdeckt haben, befinden sich in den Sekreten der Tausendfüßer etliche giftige Verbindungen aus der Gruppe der Benzochinone. Und zwei davon schlugen in Experimenten der Forscher die Weibchen der Gelbfiebermücke Aedes aegypti in die Flucht.

Auch Ameisensäure scheint ein wirksames Rezept gegen Blutsauger zu sein - und zwar eines, das nicht nur Affen kennen. Mehr als 200 Vogelarten nehmen bisweilen ein Bad in einem Ameisenhaufen oder schmieren sich die Krabbeltiere mit dem Schnabel ins Gefieder. Dabei haben sie eine Vorliebe für jene Arten, die reichlich Ameisensäure produzieren. Die nämlich wirkt Laborversuchen zufolge besonders effektiv gegen Federläuse.

Doch was ist mit dem Nest? Dort lauert ja auch noch ein Heer von Parasiten, die Küken und Eltern nicht nur Blut abzapfen, sondern auch Krankheiten übertragen können. Etliche Arten wie Stare, Spatzen oder Blaumeisen tragen regelmäßig frische, aromatische Pflanzen in ihre Nester, manche Stare zum Beispiel die Stängel der Wilden Möhre. Diese Pflanze enthält eine Verbindung namens Beta-Sitosterol - sie schreckt Milben ab und hindert sie an der Eiablage.

Nikotin-Waffe gegen Parasiten

Einige Stadtvögel scheinen sich bereits auf eine deutlich modernere Variante des Nestschutzes verlegt zu haben. Ein Team um Montserrat Suárez-Rodríguez von der Universidad Autónoma de México in Mexiko-Stadt hat die Nester der Haussperlinge auf dem Gelände der Universität untersucht und in fast neunzig Prozent davon Cellulosefasern aus Zigarettenfiltern gefunden. Tabakpflanzen haben ihr Nikotin ja entwickelt, um hungrige Insekten und andere krabbelnde Angreifer von ihren Blättern fernzuhalten. Greifen neuerdings die Spatzen im Kampf gegen Parasiten zur Nikotin-Waffe? Bei den untersuchten Nestern ließ sich ein klarer Trend erkennen: je mehr Zigarettenreste, umso weniger Milben. Gegen die alten Gegner im Nest sind immer neue Strategien gefragt. Da greift der moderne Stadtvogel schon mal zur Zigarette.

(kv) Wenn Menschen Blutsauger abwehren, ist nicht immer Chemie nötig. Schon helle, langärmlige Kleidung, Fliegengitter vor den Fenstern und ein Moskitonetz über dem Bett können helfen. Mittel für die Haut sollte man nur anwenden, wenn tatsächlich stechende Insekten unterwegs sind. Bei Kindern unter drei Jahren empfiehlt die Stiftung Warentest einen totalen Verzicht auf Repellents. Die Stiftung hat die Wirksamkeit und Verträglichkeit solcher Präparate geprüft. Die beste Abschreckungswirkung zeigten Mittel mit dem synthetischen Wirkstoff Diethyltoluamid (DEET). Als besser verträglich und fast genauso wirksam erwies sich der Wirkstoff Icaridin.

Mückenarmbänder, die ätherische Öle freisetzen und so Insekten vertreiben sollen, zeigten in Tests keine Wirkung. Abgeraten wird auch von elektronischen Geräten, die Insektizide im Raum verdampfen. Sie sind zwar wirksam, können aber für Menschen und Haustiere ungesund sein.

Tipps gegen Mückenstiche