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Kampf gegen den Pflegekräftemangel

Von Karl Ettinger

Politik

"Uns rennt wie beim Klima die Zeit davon": Arbeiterkammer und Vertreter der Gesundheitsberufe fordern statt neuer Pflegelehre Ausbildung in berufsbildenden höheren Schulen.


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Bei der Pflege wird schon jetzt ein akuter Mangel an Pflegepersonal beklagt. Beim Nachwuchs hinkt Österreich ebenfalls hinterher. Nach OECD-Daten werden in Österreich pro 100.000 Einwohner 34,5 Pflegekräfte ausgebildet, während es im OECD-Schnitt 43,6 und in Deutschland 54,5 sind. "Es braucht ganz dringend eine Ausbildungsoffensive", fordert deswegen Silvia Rosoli, Abteilungsleiterin für Gesundheit und Pflegepolitik in der Arbeiterkammer.

Unterstützt vom Gesundheits- und Krankenpflegeverband und der Gesundheitsgewerkschaft sowie der Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger wird als Ausweg für eine qualitätsvolle, attraktive Ausbildung mit beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten die flächendeckende Umsetzung von berufsbildenden höheren Schulen mit Schwerpunkt auf Gesundheits- und Sozialberufe gefordert. Damit wird auch Plänen der Wirtschaftskammer für eine Pflegelehre begegnet. Es soll eine Alternative aufgezeigt werden, weil es die Befürchtung gibt, dass es bei einer ÖVP-Regierungsbeteiligung rasch zur Einführung einer Pflegelehre kommen könnte.

"Für 15-Jährige einemassive Überforderung"

Ein Hauptgrund für die strikte Ablehnung einer Pflegelehre ist: Damit würden künftig bereits 15-Jährige mit der emotional stark belastenden Pflege konfrontiert statt bisher erst mit 17 Jahren. Bei einem Berufseinstieg als 15-Jährige in einer Pflegelehre würden sowohl für die Auszubildenden als auch für die zu pflegenden Personen Nachteile erwartet. "Wir befürchten, dass es auf beiden Seiten zu massiven Überforderungen kommt", warnt AK-Expertin Rosoli. Noch dazu sei die Pflege mittlerweile generell "viel herausfordernder geworden".

In diesebe Kerbe schlug Ursula Frohner, die Präsidentin des österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes: "Es sind sehr herausfordernde Situationen für 15-Jährige." Etwa wenn pflegebedürftige Personen zusammenbrechen. Die Pflege sei "insgesamt komplexer" geworden. Pflegebedürftige müssten oft eine Vielzahl von Medikamenten einnehmen, die Wechselwirkungen zur Folge haben. Dafür brauche es eine gute Ausbildung, um eine gute Versorgung zu sichern.

Seit dem Jahr 2016 sieht die gesetzliche Regelung ein dreistufiges Modell für die Gesundheits- und Krankenpflege vor - von Pflegeassistenz über Pflegefachassistenz bis zum gehobenen Dienst für Gesundheit und Krankenpflege. "Diese Ausbildungen können mit gutem Grund erst mit 17 Jahren begonnen werden", betonte Frohner.

"Für uns ist das eine rote Linie, die man nicht unterschreiten sollte", betonte auch Reinhard Waldhör, Vorsitzender der Gesundheitsgewerkschaft in der Gewerkschaft öffentlicher Dienst. Die geforderte berufsbildende höhere Schule für Gesundheit- und Sozialberufe würde - mit theoretischer Ausbildung - an die Pflichtschule anschließen, aber erst ab 17 mit der Praxis beginnen. Der modulare Aufbau würde den Abschluss mit Pflegeassistenz oder Pflegefachassistenz oder den Weg zur Matura und weiter zu einem Fachhochschul- oder Universitätsstudium ermöglichen. Mit dem Vorbild der Höheren Lehranstalt für Sozialbetreuung und Pflege im niederösterreichischen Gaming liegt ein Projekt und ein Konzept vor, das österreichweit umgesetzt werden könne.

Abschaffung von Gebühren an Fachhochschulen

Eine weitere Forderung an die künftige Regierung zielt darauf ab, dass Studiengebühren an Fachhochschulen für Gesundheitsberufe abgeschafft werden, um die Ausbildung attraktiver zu machen. In den Sondierungsgesprächen von ÖVP und Grünen war Pflege öffentlich kein Thema. Rosoli drängt aber angesichts des Personalmangels ähnlich wie bei den Maßnahmen zum Klimaschutz, die derzeit im Vordergrund stehen, bei einer Lösung zur Eile: "Uns rennt wie beim Klima die Zeit davon."

Wirtschaftskammer beruhigt: Erst mit 17 am Krankenbett

In der Wirtschaftskammer kann man die Aufregung um eine Pflegelehre  nicht nachvollziehen. Der Vizeobmann des Fachverbandes der Gesundheitsbetriebe, Martin Hoff, betonte, man wisse, wie wichtig die Sicherung von Betreuungskräften in der Pflege sei: "Händeringend werden Pflegekräfte gesucht und der Bedarf kann auch nicht mit ausländischen Kräften gedeckt werden." Die Pflegelehre sei eine Chance, Pflegedienstleistungen auch in Zukunft zu sichern.

Eine Pflegelehre trage den Bestimmungen des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes Rechnung, dass Schülerinnen und Schüler erst nach Vollendung des 17. Lebensjahres am Krankenbett praktisch unterwiesen werden dürfen. "Auch wir wollen nicht, dass Jugendliche in Situationen kommen, die sie überfordern", versicherte Hoff. Die Inhalte der Lehre seien darauf abgestimmt, sodass analog der Weg zum Berufsbild in der Krankenpflege beschritten werde.